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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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nicht?»
    «Seh ich auch so», sagt Sonja.
    «Interessiert?», fragt Krüpki.
    «Interessiert.»
    Krüpki nickt, gibt erst Sonja die Hand, dann mir, steigt ohne weiteren Kommentar in sein Auto und zieht mit Krawumm die Tür
     zu. Die Scheibe summt runter: «Ich komm morgen nochmal, wegen der Details, biste rum?»
    «Jo», macht Sonja in perfekter preußischer Knappheit, und Krüpki gibt Gummi.
    Sonja geht ganz ruhig zurück ins Haus, ich stakse ihr auf dünnen Glasbeinchen nach. Noch immer bin ich nicht in der Lage zu
     fassen, was geschehen ist. Wir können Land kriegen, wir können vergrößern, wir können den nächsten Schritt tun, wir können   … ach, es ist einfach unbeschreiblich. In der Küche fällt mir Sonja um den Hals.
    «Dietaaaaaa», schreit sie, «Krüpki verkauft uns Land, ausgerechnet uns!» Sie lässt wieder von mir ab und tigert um den Herd,
     in den Flur, wieder zurück in die Küche, jubelnd, lachend, nach Atem ringend. «Ditaaaa, Krüpki denkt, dass wir es gut machen,
     er denkt, dass wir dem Land guttun, er will, dass wir es pflegen, wir, und |219| niemand anders, er will, dass wir weitermachen, er traut es uns zu. Ditaaaa!»
    «Dir traut er es zu, mein Sonja-Tier, dir, der Bäuerin», sage ich, und schwups habe ich sie wieder in den Armen.
    Es hat etliche Glücksmomente gegeben, seit wir in Amerika sind, kleine und große, stille und laute. Aber so überschäumend
     schreiend-himmelhoch-jauchzend-vor-Glück-platzend habe ich meine Sonja noch nicht erlebt.

|220| Ramboiaden
    Der Landkauf ist gut über die Bühne gegangen. Wir hatten uns über den Preis per Handschlag geeinigt, Sonja hatte unsere Bank
     um ihren Segen gebeten, den sie prompt erteilte, es folgte die feierliche kleine Zeremonie beim Notar, zu welcher Krüpki und
     Lotte gemeinsam erschienen waren. Er in seiner üblichen Arbeitskleidung – nur den blauen Kittel hatte er weggelassen   –, sie imposant ausstaffiert mit schottisch kariertem Schurwollkostüm und Schnallenpumps. Er provokant: «Ist ja ganz schön
     schnieke ausgestattet, dafür, dass hier nur welche ihre Klaue auf ’n Papier kritzeln», sie weltgewandt: «Guten Tag, Herr Notar,
     wir sind die Verkäufer, das sind die Käufer, wo dürfen wir Platz nehmen?»
    Nach diesem Ausflug in die Stadt sitzen wir zu viert bei uns in der Küche und feiern den glücklichen Abschluss unseres Geschäfts.
     Draußen färben sich die ersten Blätter herbstlich, die Abendsonne lässt drüben über der Wiese eine kleine Nebelbank rötlich
     aufleuchten. Lotte hat ihre armen Füße von den Schnallenpumps befreit und die Kostümjacke ausgezogen, Krüpki fummelt am Verschlussdraht
     der Sektflasche und lässt den Korken knallen. Erschrocken |221| verziehen sich die Hunde in den Flur. «Feiglinge», lacht er und schenkt ein.
    «Prost, liebe Lotte, lass es dir schmecken, altes Haus», ruft er. «Zum Wohl, ihr Großgrundbesitzer, und auf die viele, viele
     Arbeit, die ihr euch heute gekauft habt, ihr Dämlacke!»
    «Auf das Land», ruft Sonja, «Auf unser Land», rufe ich, «Auf gutes Gelingen», ruft Lotte. Wir stoßen an.
    Krüpki leert das Glas in einem Zug, schüttelt sich und sagt: «Was für ’ne Plörre, ich brauch wat Richtiges zu trinken!»
    «Schnaps?», frage ich. «Grappa oder Kirsch?»
    «Kirsch», sagt Krüpki, «Grappa», tönt Sonja. «Also ich würde lieber beim Sekt bleiben», meint Lotte und sieht Krüpki an. Ich
     stelle die Schnapsflaschen neben die Sektpulle, und wieder wird angestoßen.
    Wir sprechen über das Land und die Zukunft, die wir ihm geben werden, spintisieren herum, welches Vieh denn geeignet sein
     könnte, darauf zu leben. «Was Ordentliches, Rinder, das ist doch klar wie Kloßbrühe», beschließt Krüpki. «Eher etwas, womit
     ihr ein Alleinstellungsmerkmal hättet», empfiehlt Lotte. Wir phantasieren von Lama über Strauß bis Känguru und malen uns die
     verrücktesten Geschäftsmodelle aus, bis hin zur Idee, gar kein Vieh anzuschaffen, sondern Wochenendseminare für die Berliner
     Esoterik-Freaks anzubieten: «Gras wachsen hören» oder «Entdecke deine Käferseele», «Lernen von den Wiesenameisen» und so weiter.
     Wir amüsieren uns königlich.
    Das Gespräch kommt darauf, wie gut wir in Amerika aufgenommen worden sind, wie wenig uns die Menschen hier das Gefühl gaben,
     Fremde zu sein. Lotte erklärt uns, dass man in der Gegend seit langem an Fremde gewöhnt sei. Vor 200   Jahren wurde das weitere Umland Berlins als landwirtschaftliche

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