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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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endlich», schrie der Mann die bellenden Hunde an, «wurde aber auch Zeit, wat seid denn ihr für Wachhunde, wa? Habt ihr
     Petersilie in den Ohren? Da brüllt man sich ja die Lunge ausm Leib, bis ihr einen mal ordentlich anmeldet!»
    Ob es die Stimmgewalt des Mannes war oder ein vertrauter Geruch an seinem blauen Kittel, jedenfalls verstummten die Hunde
     und schnüffelten interessiert an dem Fremden herum. Der schwieg jetzt ebenfalls, flattierte mit beiden Händen ihre Köpfe in
     selbstverständlicher Vertrautheit, als kenne er unsere Hunde seit Welpenalter.
    Nach diesem wohltuenden Moment der Stille gewahrte er uns, die wir noch in der Tür standen und ihn anstaunten. «Hört mal,
     ich sagte grade zu mir selber, was ist denn das hier für eine Scheiße, da kann ja jeder hergelaufene Halunke auf den Hof rauf
     und die Esel abführen, wie er will, oder eben mal den Trecker mitgehen lassen, wa? Ihr Pfeifen schnallt ja gar nichts!»
    «Hören Sie mal», suchte der kleine Schweizer nach der passenden Retourkutsche, «wie reden Sie denn hier mit uns, wer sind
     Sie denn eigentlich, weisen Sie sich gefälligst aus, und überhaupt   …»
    |214| Da wandte Sonja den Satz an, mit dem Schwester Alma vor kurzem hinter dem Busch aufgetaucht war: «Zum Kennenlernen sagt man
     bei uns erst mal guten Tag, junger Mann!» Sie grinste ihn breit an.
    Augenblicklich entblößte er ebenfalls seine Hauerchen. «Is ja gut, mach ich doch, bin ja schon artig.» Er bewegte sich mit
     ausgestreckter Hand auf uns zu: «Tach auch. Krüpke der Name!» Das kam nun in fast normaler Lautstärke. Geht doch!
    Genauso schnell und unkompliziert wie mit den anderen Amerikanern, die wir bis dahin kennengelernt hatten, kamen wir mit ihm
     ins Gespräch. Krüpke meinte, er hätte nur mal nachgucken wollen, «ob das neu zugezogene Gemüse was taugt oder ob man davon
     Blähungen kriegt, wa?».
    Wir beantworteten seine Fragen, die denen von Müsebeck und Schwester Alma sehr glichen, und er revanchierte sich großzügigst
     mit Anekdoten aus seinem Leben mit Pferden. Wobei er Reitschülerinnen durchgängig als «ausgenommene Gänse» bezeichnete, Pferdeknechte
     als «Dumpfbacken», Reitlehrer als «Stiefelspucker» und auch sonst mit selbstkreierten Kraftausdrücken nicht sparte. Sonja,
     statt pikiert zu tun, lachte viel über und mit Krüpki und gab genussvoll Contra. Die beiden verstanden sich prächtig. Als
     Krüpki schließlich vom Hof schritt, ein grelles «Na, denn haut rin, ihr Anfänger!» schmetternd, nahmen wir in bester Laune
     den Kampf mit den Regalen und den Bücherkisten wieder auf. Als hätte uns Krüpki eine Kraftspritze verpasst.
    «Du, der hat einfach gleich ‹du› gesagt, du. Ist dir das aufgefallen?», fragte der kleine Schweizer. Nö, war mir
nicht
aufgefallen.
    Inzwischen hat sich Krüpki angewöhnt, öfter mal, wenn er am Hof vorbeifährt, einen Zwischenstopp einzulegen und nachzugucken,
     «ob die Scheiße wieder am Dampfen ist».
     
    |215| In diesem Spätsommer nach der ersten Heuernte, als Krüpki seinen Geländewagen wieder mal vor unserem Haus zum Stehen bringt,
     ahnen wir nicht, dass dieser Besuch ein geradezu historischer sein wird. Normalerweise steigt Krüpki aus, verschließt sorgfältig
     die Autotür, schiebt sich gemächlich durch unser Gefängnishoftor und meldet sich dann per Stimme an. Diesmal tut er das, noch
     im Auto sitzend, per Hupe. Ich öffne das Fenster und rufe: «Meister Krüpki, was gibt’s? Bist du heiser, dass du jetzt die
     Hupe brauchst, um dir Gehör zu verschaffen?»
    Krüpki hat sich aus seiner Kiste gepellt, steht, seine Arme auf der Motorhaube abgestützt, da und blickt mit hochrotem Kopf
     zu mir empor.
    «Hör mal, machste einen auf Strohwitwer, oder ist die Chefin och da?»
    «Sonja ist hier, was gibt’s denn?»
    «Na, denn kommt mal beide raus hier, ich hab was zu bequatschen.»
    «Was denn?»
    «Was denn, was denn», äfft er mich nach. «Nu mach hier nicht einen auf amtlich, Mensch, wirst es früh genug erfahren, nu hol
     schon deine Sonja ran, ich will mit euch ’n ernsthaftes Gespräch führen.»
    «Ist was passiert, ist es was Schlimmes?», kann ich mir nicht verkneifen, doch noch zu fragen.
    «Haste Petersilie in die Ohren, kommt jetzt raus, sonst werde ich laut», brüllt er.
    Ich ziehe den Kopf ein, schließe das Fenster und rufe gehorsam nach Sonja.
    «Hört mal, ich hab über euch nachgedacht», eröffnet Krüpki, als wir brav neben seinem Auto angetreten sind. «Nämlich,

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