Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Inhalte verstanden hat. Während der Ausbildung musste ich regelmäÃig meinen Wochenplan vorlegen, aus dem per Zufallsprinzip eine einzelne Unterrichtsstunde ausgewählt wurde, deren Planung ich nun vorzuzeigen hatte und die nach diesen Vorgaben beurteilt wurde. Alle Stunden musste ich vorab schriftlich fixieren, den gesamten Verlauf, das ganze Material, ja selbst was genau Lehrer und Schüler wann sagen sollten. Man kam an diesem Stundenaufbau nicht vorbei. In der Prüfung wurde genauestens darauf geachtet, dass die vorab festgelegten Dialoge im minutiös vorgezeichneten Zeitraster eingehalten wurden, da war es schon ein Problem, wenn ein Kind zur Toilette musste oder zwei Fragen zu viel stellte. Und auch heute noch ist die Einhaltung dieses Stundenaufbaus ein wichtiger Aspekt bei der Visitation von Schulräten. Diese Art des Unterrichtens führt einerseits dazu, dass Inhalte sehr isoliert und damit oft abstrakt und ihrer natürlichen Einbettung entrissen durchgenommen werden, andererseits das Niveau so niedrig angesetzt
wird, dass wenigstens theoretisch die Möglichkeit besteht, dass alle Kinder die Lernziele erreichen, denn eben darauf wird insbesondere bei Prüfungen und Visitationen geachtet: Meistert wirklich jedes Kind die abschlieÃende Sicherung erfolgreich? Kein Wunder, dass sich viele Kinder im Unterricht langweilen. Kein Wunder aber auch, dass Kinder vieles nicht lernen, weil eben der groÃe Ãberblick fehlt. Und â weil vieles einfach Zeit bräuchte, um sich zu setzen, sich zu entwickeln, sich zu vernetzen. Statt dafür Sorge tragen zu können, geht es in der nächsten Stunde mit den nächsten kleinen Schritten weiter. Wundert es, dass da Kinder abschalten?
Sich als âpädagogische Wildsauâ bezeichnen zu lassen, wie es einem Kollegen von mir geschehen ist, ist noch eine der höflicheren Rückmeldungen, die man von Vorgesetzten bekommt, wenn man auch nur versucht, anders zu arbeiten, und diese Strukturen aufbricht, um jedem Kind einen individuellen Zugang zu ermöglichen. Mir persönlich wurden in diesem Zusammenhang dann schon mal Inkompetenz und unzureichende Vorbereitung unterstellt.
Es wäre so wichtig, angehenden Lehrern (und alteingesessenen Schulräten) zu vermitteln, wie heterogene Gruppen gut unterrichtet werden können und wie gerade die Heterogenität die Effektivität und den Lernzuwachs im Unterricht deutlich steigert â für alle Kinder.
Dieser Gleichschrittunterricht und die Notengebung, die die Kinder auf sechs verschiedene Notenstufen verteilt, macht uns glauben, dass es schier unüberbrückbare Unterschiede im Lernprozess und Leistungsvermögen der Kinder gibt. Die einzige Lösung neben der Selektion in verschiedene Schularten scheint dann zu sein, jedes Kind in seinem eigenen Tempo und eigenständig lernen zu lassen. Nach meiner Erfahrung bleiben Kinder auf diese Weise jedoch weit unter ihren Möglichkeiten, bringen sich Inhalte oft falsch oder fehlerhaft bei und sind zudem häufig gelangweilt ob der Eintönigkeit ihrer Lernmethode und ihres Schulvormittags. Die Frage darf durchaus gestellt werden, ob nicht gerade der reine âoffeneâ Unterricht beim Individualisieren bildungsbenachteiligte Schüler weiter benachteiligt,
denn ihnen fehlen oft innere Struktur, Anstrengungsbereitschaft und die Fähigkeit zur Selbstorganisation, um die Vorteile dieser Arbeitsformen ausschöpfen zu können.
Neue Wege für den Lernerfolg
Dabei unterscheiden Kinder sich in Wirklichkeit in ihren fachlichen Lernprozessen gar nicht so stark! Nutzt man als Vergleich das Bild einer viele Stufen zählenden Treppe, bewegen sich die Kinder einer Klasse auf vielleicht vier oder fünf beieinanderliegenden Stufen. Das ist durchaus überschaubar. Zudem fehlt den Kindern, die die schlechten Noten bekommen, in der Regel nicht das prinzipielle Verständnis einer Thematik, sei es in den Naturwissenschaften oder in anderen Bereichen. Die schlechten Noten entstehen meist dadurch, dass das Kind immer noch Lücken im sprachlichen Bereich hat, ihm der Umgang mit Fachbegriffen schwerfällt oder es Sachverhalte nicht genau beschreiben kann. Dem gemeinsamen Lernen an einer Thematik an sich tut das keinen Abbruch.
Statt schnurgerade immer nur auf den ausgetretenen Wegen zu gehen, ob im Gleichschritt oder allein, würde ich es viel sinnvoller finden, ein Feld zur Verfügung zu stellen, auf dem sich
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