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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Zwischenlösungen akzeptieren, wenn ich sie um Erlaubnis frage. Solange sie die Option haben zu sagen, nein, mir ist das jetzt wichtig, und sich sicher sein können, dass ich das nicht einfach übergehe, passiert es äußerst selten, dass ein Kind wirklich genau in diesem Moment die Aufmerksamkeit einfordert. Und wenn es das tut, gebe ich sie ihm. Selten dauert das länger als wenige Minuten, denn den Kindern geht es mehr darum zu spüren, dass jemand da ist. Entscheidend ist, dass das Kind weiß, dass es nicht übergangen wird, dass es spürt, dass es gesehen wird, dass es selbst bestimmt, wann es gut ist. Andernfalls wird das Kind verunsichert. Das hat oft zur Folge, dass Kinder immer mehr und mehr fordern, aus der Angst heraus, nicht das zu bekommen, was sie brauchen. Dem kann man dann tatsächlich kaum noch gerecht werden, weder zeitlich noch inhaltlich.
    Sehr interessant finde ich auch, wie sich diese Einstellung „Eine gute Lösung ist es erst, wenn auch du dich wohlfühlst“ auf die Kinder überträgt. So kann man ihnen bewusst machen, dass es niemals nur eine Wahrheit gibt und jeder Mensch Situationen
unterschiedlich erlebt. Dann kann man entweder streiten und recht haben wollen. Oder man kann versuchen, die Sichtweise des anderen zu verstehen, um gemeinsam eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden. Dann sieht man, wie Kinder nicht sofort schreien: „Aber du hast …“, sondern schildern, wie sie eine Situation erlebt haben, und zuhören, wie der andere sie erlebt hat, um das dann abzugleichen. Auch und gerade die „Stärkeren“, die sich sonst oft wenig um das Wohlbefinden ihrer Mitschüler kümmern, ändern so ihr Verhalten. Sie lösen Konflikte und sprechen ganz anders miteinander. Sicher, manchmal muss man sie in ihrem Vorhaben unterstützen und ihnen Sätze als Gesprächshilfe anbieten, beispielsweise: „Bitte erzähl mir, wie du das erlebt hast!“, „Wie geht es dir?“, „Was hat dich so sehr verletzt?“, „Wie kann ich dir helfen, was kann ich für dich tun?“ Oder auch am Schluss fragen: „Ist es jetzt gut für dich oder gibt es noch etwas, was dir wichtig ist?“ Ich bin inzwischen der festen Überzeugung, dass sich Kinder gerne kümmern, gern füreinander sorgen, dass sie oft eben nur noch keine Ahnung haben, wie. Zu schnell geht man als Erwachsener davon aus, dass sie doch eigentlich wissen müssten, wie man bestimmte Situationen löst. Wie leicht kann man oft Ärger und Streit vermeiden, wenn man es ihnen einfach noch einmal erklärt oder ihnen hilft, sich in den anderen einzufühlen, um selbst Lösungen finden zu können. Ich merke auch sehr deutlich, dass Kinder in diesem Alter vor allen Dingen schauen, wie sich Erwachsene verhalten, und deren Verhalten imitieren. Erleben sie, dass ihr Befinden und das der Mitschüler beachtet wird, bemühen sie sich auch darum. Es ist so, als ob sie Antennen ausfahren. Gerade auch in der Gemeinschaft, da sich hier ein gewisses Gruppenklima bildet, dem man sich nur schwer entziehen kann. Die Werte, die sie vorgelebt bekommen, übernehmen sie. Angesichts dessen ist es doch fast erschreckend, was wir ihnen in den Schulen teilweise vorleben, welche eigentlichen „Kleinigkeiten“, wie unerledigte Hausaufgaben oder der vergessene Klebestift teilweise zu großen Dramen werden, oder wie wir ihnen das Miteinander regelrecht abtrainieren, um „gerechte“ Noten zu erhalten. Wie wir sie dazu erziehen, „besser“
zu sein als jemand anderes, anstatt an das Potenzial eines Menschen zu glauben und darauf zu vertrauen, dass er sich in diesem Vertrauen zum Guten entwickelt. Wir sollten uns nicht wundern, welche Kleinigkeiten Kindern und Jugendlichen derzeit teilweise genügen, um aggressiv zu werden, wir wenden ihnen gegenüber ähnliche Bewertungsmaßstäbe an.
    Es ist mir inzwischen sehr bewusst, welchen Einfluss ich auf die Kinder habe: mit dem, was ich sage, wie ich mich verhalten, wie ich wirke, welche Erwartungen ich habe. Kinder schauen sich von mir ab, wie ich bin, wie ich mit ihnen und anderen umgehe, wie ich Belastungen bewältige, wie ich mit Anforderungen oder Ärger umgehe, mit welcher Freude ich mich an meine Arbeit mache oder mit welcher Offenheit ich meinen Mitmenschen begegne. Ich präge sie durch die Art, wie ich bin, nicht in erster Linie durch das, was ich sage

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