Was wir unseren Kindern in der Schule antun

arbeiten und Ergebnisse liefern würden, nur weil ich sie dazu anhalte. In dieser Zeit kommt das entweder aus ihnen selbst heraus oder auch nicht. Spürbar ist doch, dass sich gerade durch die Freiheit und das entgrenzte Arbeiten und Lernen bei den Kindern Freude am Tun, ein Anspruch an sich selbst und eigene Visionen entwickeln. Sehr überrascht war ich davon, wie selbstständig Kinder arbeiten und wie schon nach wenigen Monaten erkennbar ist, dass sich allein durch diese Arbeit ihre Persönlichkeit verändert: Sie wirken wacher und interessierter, sie lassen sich auf vorgegebene Inhalte leichter ein und arbeiten insgesamt konzentrierter. Diese Qualität des Lernens sollte viel mehr Raum an unseren Schulen bekommen, hier findet sich der Ansatz, dass aus „Lernen“ ein lebenslanges Projekt wird.
    Wichtig bei den verschiedenen freieren Methoden ist zum einen, dass die richtige Methode zum richtigen Inhalt zur richtigen Zeit gewählt wird, um einerseits die gewünschte Lernerfahrung zu ermöglichen, andererseits aber auch im Hinblick auf die Proben die Ergebnisse sicherzustellen. Geschickt arrangiert kann man also viele Lernziele an einer einzigen Sache vermitteln, soziale Aspekte mit fachlichen kombinieren. Zum anderen muss ich die Kinder gut im Blick behalten, gerade wenn sie allein üben oder arbeiten. Denn nur so bemerke ich rechtzeitig, wann jemand frustriert ist oder allein nicht weiterkommt. Nicht alle Kinder suchen sich freiwillig Hilfe. Wie auch im gebundenen Unterricht ist mein oberstes Ziel bei den freieren Arbeitsformen, zu verhindern, dass Kinder negative Überzeugungen über sich gewinnen. Jegliches Arbeiten soll die Kinder stärken und bereichern, dementsprechend müssen die
einzelnen Arbeitsformen vorbereitet und von mir als Lehrerin begleitet werden.
    Kinder brauchen sowohl beim gebundenen als auch beim schöpferischen Arbeiten das Gefühl der Sicherheit, um selbstständig zu werden. Das funktioniert nach demselben Prinzip wie das Laufenlernen: Die Eltern halten die Hand des Kindes, es darf sich festhalten. Mit der Zeit löst es sich und dennoch sind die Hände von Mama oder Papa nur wenige Zentimeter von den seinen entfernt, um es notfalls halten zu können. Es war ein sehr feines Spüren, wann wie viel Hilfe, Sicherheit und Unterstützung nötig war. Aber niemals lassen Eltern das Kind in dieser Situation abrupt los oder stoßen es gar weg, sondern sie geben dem Kind die Möglichkeit, sich mit der Zeit selbst zu lösen und eigenständig zu laufen. Kinder wollen selbstständig sein, aber sie müssen die Zeit dafür bekommen, selbstständig werden zu können. Selbstständigkeit darf nicht einfach gefordert werden.
    Was wirklich zählt
    Das Entscheidende an einem gelungen Schulvormittag ist, dass er für die Kinder schön ist. Alles, was mit Freude und Begeisterung getan wird, prägt sich besser ein, der Lehrer hat daran mit seiner eigenen Begeisterung und guten Laune einen entscheidenden Anteil. Für die Kinder ist das Lernen schön — wenn es eingebettet ist in ein buntes gemeinsames Miteinander.
    Während des Unterrichtsvormittags ist das Atmen sehr wichtig: Ein- und Ausatmen, Anspannung und Entspannung. So spielen wir zwischendurch Flöte, bewegen uns zu Musik, wir basteln und malen, oder ich lese auch mal eine Geschichte vor. Wann immer es machbar ist, versuche ich ein direktes Erleben für die Kinder zu schaffen. Angebote gibt es genug: Heckenführungen vom Bund Naturschutz, Museumsbesuche über das Museumspädagogische Institut, Dinosaurier im Paläontologischen Museum, auf den Spuren der Kelten in der Archäologischen Staatssammlung oder Franz Marc in der Pinakothek. In unserer Gemeinde kann man außerdem auch gemeinsam mit Künstlern des Ortes Kunstprojekte gestalten. Wir besuchen ein
Theater oder gar die Oper oder veranstalten eine Lesenacht im Klassenzimmer. Auch versuche ich, mit jeder Klasse wenigstens einmal ein Theaterstück oder ein Musical einzustudieren und aufzuführen. Für die Kinder ist einfach wesentlich, dass Schule abwechslungsreich, vielfältig und lebendig ist und vor allen Dingen Spaß macht. Wenn Schule aus einer gesunden Mischung besteht, sind Kinder auch in den Lern- und Übungsphasen konzentriert und willig dabei, sodass Lernen oft weit effektiver und nachhaltiger gelingt. Es ist für mich extrem auffällig, wie leicht Kinder das Lesen,