Was wir unseren Kindern in der Schule antun
ganz andere Schule, an der ich eine vierte Klasse übernehmen sollte, in der es im Jahr zuvor offensichtlich heftige Elternprobleme gegeben hatte und die nun kurz vor dem Ãbertritt stand.
Ich hatte zuvor noch nie eine vierte Klasse unterrichtet, auch das war dem Schulamt bekannt. Schon zur BegrüÃung wurde mir klargemacht, dass ich genau das zu machen hätte, was die Kollegen in den Parallelklassen machen, ich dürfte nichts Eigenes in den Unterricht einbringen, und der Wochenplan würde jede Woche gemeinsam erstellt. Das Schulamt hielte regelmäÃig Rücksprache, bei den kleinsten Auffälligkeiten würde ich Probleme bekommen.
Nun, ich nahm an den wöchentlichen Teamsitzungen teil und bereitete Materialien vor, die ich meinen Kollegen zur Verfügung stellte, ebenso wie diese mir ihre Unterlagen gaben. Ich engagierte mich wie sonst auch im Schulleben, übernahm Ãmter, erklärte mich zu Arbeitsgruppen und zusätzlichen Arbeiten und Aktivitäten bereit. Fairerweise hatte die Schulleitung die unhaltbaren Unterstellungen des Schulamtes nicht dem Kollegium weitererzählt, und so war ich, wie bislang an den anderen Schulen auch, von Anfang an gut integriert und ein gern gesehenes Mitglied des Kollegiums. Auch die Schulleitung äuÃerte sich bald sehr positiv und stellte gar die Ansichten und Urteile des Schulamtes deutlich infrage.
Für mich begann eine sehr arbeitsintensive Zeit. Wenn man einmal verstanden hat, wie Kinder leicht lernen, fällt es einem schwer, ganz bewusst Gegenteiliges zu machen. Gerade der Aspekt der inneren Ãberzeugungen war mir extrem wichtig. Und ich wusste: Die negativen Ãberzeugungen bilden sich aufgrund der Rahmenbedingungen in unserem Schulsystem nahezu von allein und es ist nur sehr schwer möglich, das zu verhindern.
Um neben meinem âPflichtprogrammâ also auch noch so zu lehren, wie ich es wollte, musste ich die fachlichen Inhalte so aufbereiten, dass sie in deutlich kürzerer Zeit von den Kindern aufgenommen werden konnten. Dafür musste ich diese Inhalte so überarbeiten und einsetzen, dass die Kinder daraus wenigstens einigermaÃen organisch ihre Mosaike zusammensetzen konnten und uns noch regelmäÃig Zeit für die wichtigen Dinge blieb. Die wichtigen Dinge â dazu gehörte das Miteinander, beispielsweise im täglichen Morgenkreis, dazu zählten auch gemeinsame Projekte, wie das Einstudieren und Aufführen eines Musicals, Zeit für Ausflüge und auÃerschulische Lernorte, Zeit für Gespräche, wann immer sie wichtig waren.
Hineingeworfen in die vierte Klasse fehlte mir anfangs selbst noch die sehr tiefe und umfassende Kenntnis der Lerninhalte. Aufgrund des verbindlichen Wochenplans waren die Inhalte für eine Woche festgelegt, aber durch Umschichtung, die ich nicht im Wochenplan notierte, konnte ich zumindest innerhalb dieser Woche Freiräume schaffen. Nachdem mir die Themen
geläufiger wurden, gelang es mir immer besser, Inhalte vorausschauend in das Lernen der Kinder einzubringen, sodass diese den Kindern frühzeitig vertrauter wurden und sie schlussendlich leichter und schneller lernten. Im Prinzip ist vieles in diesem System eine Frage der Zeit. Wenn es gelingt, diese zu überlisten, hat man Vorteile. Ich versuchte, die vorhandenen Lücken im Wissen der Kinder zu stopfen, obgleich mir untersagt worden war, die Lehrinhalte der dritten Klassenstufe mit den Kindern zu wiederholen. Die Begründung dafür lautete: âWer das nicht kann, hat keine gute Note verdient.â Die vorhandenen Materialien und Arbeitsblätter überarbeitete ich so, dass wir effektiver lernen konnten. Damit es nicht langweilig wurde, wechselte ich die Arbeitsformen regelmäÃig, die Kinder lernten gemeinsam, aber auch mit Partnern oder in Gruppen, in Projektform oder an Werkstätten.
Oft bediente ich mich in dieser Klasse â auch aufgrund der Zeitknappheit â der Methode des lebendigen Erzählens. Auf diese Art konnte ich bei den Kindern innere Bilder erzeugen, mit denen sich die Lerninhalte schneller verknüpften. Täglich wiederholte ich kurz die reinen Wissensinhalte oder die zu verinnerlichenden Rechenverfahren, also all das, was sonst meist zu Hause geschehen muss. Durch ein stringentes Konzept von Korrekturen, gemeinsamer Arbeit und Hausaufgaben zum Vertiefen und Ãben entstand in meiner Klasse rasch eine konzentrierte Arbeitshaltung, sodass es leichtfiel,
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