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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Schulleitung mit mir änderte sich schlagartig, Gespräche wurden nicht mehr mit mir allein geführt. In der Regel saßen mir nun mindestens zwei Menschen gegenüber, in wechselnder Zusammensetzung die Schulleitung, die Schulpsychologin, die Lehrkräfte der Parallelklassen, später dann auch noch Schulräte. Ich hingegen durfte selbst nach wiederholter Bitte weiterhin niemanden in die Gespräche mitnehmen. (Für ein späteres Gespräch, das ich schon vorher als sehr belastend einschätzte und bei dem mir dann auch tatsächlich vier Menschen verschiedener höherer Dienstebenen gegenübersaßen, engagierte und bezahlte ich schließlich eine Anwältin als Rechtsbeistand, der die Anwesenheit nicht verweigert wurde.)

    Ab diesem Zeitpunkt wurde nur noch versucht, deutlich zu machen, dass mein Unterricht katastrophal sei, die Kinder auf diese Weise garantiert nichts lernen könnten, ich die Ergebnisse vorgesagt, in den Korrekturen betrogen oder gefälscht hätte. Mehrfach musste ich alle Proben zur Überprüfung vorlegen. Es wurden keine Mängel festgestellt, meine Korrekturen kein einziges Mal beanstandet. Daraufhin wurde mir unterstellt, dass ich die Aufgaben sicher so vorgelesen hätte, dass zum einen nun jedes Kind die Fragen an sich verstanden und zum anderen viele Kinder anhand der Betonung schon auf die korrekte Antwort schließen hätte können. Dabei ist das Vorlesen der Fragen an sich ja schon verboten und ich hatte, bis auf die mit den Lehrkräften der Parallellehrklassen abgesprochenen Hinweise, nichts weiter zu den Aufgaben gesagt. Dann wurde mir unterstellt, ich hätte die Fragen am Tag vorher explizit mit den Kindern durchgesprochen, obwohl ich manche Proben nicht einmal vorab gesehen hatte, sie aber aufgrund der Anweisungen mitschreiben musste. Und mir wurde vorgeworfen, ich hätte mit den Kindern zu viel geübt. Dann könne es ja jeder. Das ist zwar eine gängige Formulierung im Zusammenhang mit der Notengebung, aber ist es nicht absurd, dass mir vorgeworfen wurde, meine Arbeit gut zu machen?
    Sehr unmissverständlich wurde mir gesagt, dass Gleichheit zu herrschen habe. Wichtig sei, dass aus jeder Klasse gleich viele Kinder in die verschiedenen Schularten übertreten. Ich möge mir doch vorstellen, wie Eltern reagieren, wenn es dabei ungerecht zuginge. Ich würde damit einen Angriffspunkt für juristisches Vorgehen bieten, auf diese Weise meine Kollegen ausliefern. Eltern hätte ich auf Distanz zu halten — meine intensive, stets zeitnahe und offene Elternarbeit war nie gern gesehen —, ich hätte auch bei zweifelhaften Aufgabenstellungen und Korrekturen meine Kollegen zu schützen und mich dementsprechend zu verhalten. Ich könne den Eltern ja einen Termin in der Sprechstunde geben — wenn ich angäbe, der nächste sei erst in sechs Wochen frei, würde eh keiner mehr kommen. Ich solle dann halt sagen, ich hätte das mündlich durchgenommen und das betroffene Kind hätte nicht aufgepasst. Meine Hauptverantwortung
läge bei den Kollegen. Mir wurde ans Herz gelegt, das Schulsystem zu verlassen, ich müsste doch erkennen, dass ich hier falsch sei. Ich könne ja eventuell noch an eine Alternativschule gehen, dort könne ich die Kinder so behandeln, wie ich es für richtig halte, aber hier im staatlichen Schulsystem wären einfach die Noten wichtig und die Gleichheit. Bezugnehmend auf einen bestimmten Schüler, der den Aufnahmeunterricht in der Realschule geschafft hatte, wurde mir entgegnet: „Das war ein sicherer Hauptschüler, Frau Czerny!“
    Es freute offensichtlich niemanden, dass einundneunzig Prozent meiner Schüler in dieser Klasse an Realschule und Gymnasium übertreten konnten, mir wurde diese Quote stets vorgehalten. Dass einige Kinder den Probeunterricht an einer anderen Schule, also unabhängig von mir, bestanden hatten, wurde kommentiert mit den Worten, „dass sie ja schon im Übertrittszeugnis gute Noten gehabt hätten“. Heißt das gar, dass der Probeunterricht gar nicht objektiv bewertet wird, sondern eine Farce ist, bei der wieder vorrangig auf die zuvor gegebenen Noten geachtet wird? Schon vor dem Probeunterricht wurde im Kollegenkreis gemunkelt, dass im betreffenden Jahr lediglich zehn Schüler über den Probeunterricht aufgenommen werden würden, ein Gerücht, das ja ebenfalls darauf hindeutet, dass nicht das tatsächliche

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