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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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werden, oder nur in Ausnahmefällen an schon ältere und langgediente Rektoren. Auch sollte ich, wie mehrfach vorher zugesagt, eine Verwendungseignung als Rektorin erhalten. Dieses Schreiben lag meiner Beurteilung nicht bei, stattdessen wollte man mir ernsthaft einreden, dass ein Formblatt, das ich selbst ausgefüllt hatte und auf dem ich mich und meine Qualifikationen beschrieb, eben diese offiziell bekundete Eignung sei, die mich zur Bewerbung und schlussendlich zur Aufnahme einer Stelle als Rektorin berechtigt. Als ich deutlich machte,
dass ich mir bei keiner dieser Aussagen vorstellen könne, dass sie richtig sei, und mich nun an höhere Stellen wenden würde, wurde mir gesagt: „Frau Czerny, ich kann Ihnen nur raten, von so einem Vorgehen abzusehen. Sie werden nur persönliche Nachteile haben. Sie werden noch an mich denken.“
    Nachdem ich zu einem der ersten Gespräche, in denen die problematische Situation thematisiert wurde, eine Begleitperson mitgebracht hatte, und diese Person nachträglich als Zeuge für die fragwürdige Gesprächsführung und einige skandalöse Äußerungen des Schulrates fungierte, wurde mir in den Jahren ab diesem Zeitpunkt verboten, jemanden in das Gespräch mitzunehmen. Die Gespräche wurden außerdem nun stets so terminiert, dass ich auch keinerlei Möglichkeit gehabt hätte, jemanden mitzubringen. So wurde ich beispielsweise unvermittelt aus dem Sportunterricht herausgeholt oder kurz vor der Pause per Durchsage zu einem Gespräch beordert, später standen manchmal Personen auch unangekündigt in meinem Klassenzimmer, um mir Maßnahmen oder Anweisungen mitzuteilen. Es war teilweise schon hanebüchen, was mir im Laufe der Jahre in diesen Gesprächen gesagt wurde. Ich weiß, dass ich mit solchen Erlebnissen nicht alleinstehe, auch wenn mir dieser Eindruck wohl vermittelt werden sollte. Denn es ist ein wirkungsvolles Mittel, die betroffenen Personen einzuschüchtern, indem man sie separiert und sie womöglich sogar noch gegeneinander ausspielt. Dies zeigt sich auch immer wieder in diesen Gesprächen: Erzählt man beispielsweise von anderen, die ein ähnliches Schicksal erleiden, heißt es: „Wir sprechen heute über Sie“, erzählt man dann von sich, heißt es: „Wie Sie sehen, sind Sie ein Einzelfall, es muss also an Ihnen liegen“. Nicht wenige Kollegen kamen auf mich zu mit der Frage, warum ich meinen Job nicht einfach so mache, wie es von mir verlangt wird. Sie würden diese Sanktionen und diese Behandlung nicht aushalten. In Gesprächen mit anderen Lehrern über ihre Erfahrungen im Schulsystem und mit Vorgesetzten habe ich schon häufiger von einer Art ungeschriebenem Gesetz gehört, das da lautet: „Du darfst dich engagieren, du darfst Neues ausprobieren, du darfst mit deinen Kindern alles machen — solange sie nicht besser
werden.“ Niemals hätte ich gedacht, dass in diesem Satz so viel Wahrheit steckt, und plötzlich erlebte ich selbst, welche Maschinerie hochgefahren wurde, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil alles gleich sein muss. Dabei war das erst der Anfang und zu dem Zeitpunkt hielt ich das alles noch für die Verfehlung eines einzelnen Mannes, der mir breitbeinig auf dem Stuhl gegenübersaß.
    Ehrlich gesagt, in mir brach eine Welt zusammen. Nicht wegen der Beurteilungsgeschichte und meiner nun wohl nicht mehr möglichen Karriere zur Rektorin. Vielmehr, weil ich erleben musste, dass mein ganzes Bemühen darum, dass Kinder gut lernen, nicht wertgeschätzt wurde, sondern ganz im Gegenteil zu massiven Gegenreaktionen führte. Ich hatte davon gehört, dass es politisch gar nicht gewünscht ist, dass alle Kinder gut lernen, konnte das aber nie glauben und will es bis heute nicht glauben. Ich wurde krank, musste mich von dem Erlebten erholen und wieder aufrichten. Die wenigen Wochen meiner Abwesenheit genügten später als Begründung, um mich „aufgrund der Fürsorgepflicht, die der Staat für mich als Beamten hat“ zur medizinischen Untersuchungsstelle zu beordern, auf Überprüfung meiner Diensttauglichkeit, mit der Möglichkeit der Entsendung in den Vorruhestand. Am Ende des Schuljahres beantragte ich meine Versetzung, mit dem Schulamt war abgesprochen, an welcher Schule und in welcher Jahrgangsstufe ich im Folgenden unterrichten sollte. Versetzt wurde ich dann ohne weitere Rücksprache an eine

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