Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
Vom Netzwerk:
Wissen und Können der Kinder für die Aufnahme an der weiterführenden Schule entscheidend ist, sondern eventuell die noch freien Plätze in den geplanten Klassen der weiterführenden Schulen.
    Verantwortungslos sei ich. Auf meine Frage hin, ob es nicht meine Aufgabe sei, mich um jedes Kind zu kümmern, wurde nur der Kopf geschüttelt und gelacht. Wenn ich meine Pädagogik erläutern wollte und erklären wollte, welche Bedeutung die Überzeugungen der Kinder haben und wie man dieser Tatsache gerecht werden kann, wurde ich als anmaßend hingestellt — es gäbe einfach dumme Kinder. Da könne auch ich nichts tun, oder wolle ich etwa sagen, ich sei etwas Besseres und alle meine Kollegen unfähig? Stets versuchte man, mir zu unterstellen, den Schulfrieden gestört und das Verhältnis zur Schulleitung und zum Kollegium zerrüttet zu haben — konkrete Begründungen
für diese Behauptungen und eine konkrete Darlegung meines angeblichen Fehlverhaltens gab es nicht. Mit Ende des Schuljahres wurde die angekündigte zwangsweise Versetzung vollzogen mit den Worten: „An der neuen Schule können Sie sich ja bewähren und Ihre Kollegialität beweisen, immerhin haben Sie ja jetzt schon an mehreren Schulen für Unruhe gesorgt.“
    Auf der Suche nach einem Maßstab
    Weit interessanter als der schulbürokratische Umgang mit der Situation ist die pädagogische Tragweite. Die wöchentlichen Teamsitzungen mit den Parallelkollegen und damit die Festlegung auf die Inhalte wurden aufrechterhalten, ich durfte allerdings nicht mehr die gleichen Proben wie die Kollegen schreiben, sondern musste meine selbst erstellen. An sich kein Problem, und doch war mir bewusst, dass der Vorwurf, die Proben wären zu leicht gewesen, nun wie ein Damoklesschwert über mir hing, wenn die Ergebnisse ebenso gut wie bisher ausfielen. Der Vergleich mit den Parallelklassen war so ja nicht mehr möglich. Den Vorwurf, dass ich im Vorfeld einer Probe zu gut mit den Kindern üben würde, und es dann kein Wunder sei, wenn alle Kinder alles können, machte man mir sowieso. Was konnte ich tun? Wie konnten die mir anvertrauten Kinder sehr gute Leistungen erzielen, ohne dass ich in dieser Weise angreifbar war?
    Ich machte mich auf die Suche. Ich durchforstete alle Gesetze, die mit Schule zu tun hatten, und las die der Notengebung zugrunde liegenden Bestimmungen der Kultusministerkonferenz (KMK), die deutschlandweit, also in allen Bundesländern, gültig sind (siehe Informationskapitel „Noten” ab Seite 285). Ich studierte den speziell für meinen und die umliegenden Landkreise entwickelten Leitfaden zur Notengebung und durchforstete das Internet nach Informationen und Anhaltspunkten. Ich wollte wissen, was genau von den Kindern eigentlich verlangt wird und wie es zu bewerten ist. Ich suchte nach einem Maßstab. Und wurde nicht fündig. Nirgends!

    Es gibt keinen Maßstab für die Notengebung!
    Es gibt keinen allgemein geltenden, objektiven Maßstab, der einer bestimmten Leistung, beispielsweise dem Beherrschen der schriftlichen Rechenverfahren in der vierten Klasse, eine konkrete Note zuordnet.
    Die Bildungsstandards, die das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) veröffentlicht hat, weisen zwar aus, welche Kompetenzen Kinder am Ende einer Jahrgangsstufe erreicht haben sollen, stellen aber keinen Zusammenhang mit der Notengebung her. 1 Was es gibt, sind Angaben über sogenannte Kompetenzstufen. Dafür werden verschieden ausgeprägte Fähigkeiten in niedrige und hohe Kompetenzstufen eingeordnet. Zum Beispiel entspricht es beim Thema „Achsensymmetrie“ der niedrigsten Kompetenzstufe, wenn ein Kind auf einem karierten Blatt durch Abzählen der Kästchen eine Figur spiegeln kann. Die höchste Kompetenzstufe weist aus, dass das Kind auf einem weißen Blatt Papier eine Figur mithilfe des Geodreiecks spiegeln kann. Alle meine Kinder konnten das - warum auch nicht? Betrachtet man die anderen höchsten Kompetenzstufen in Mathematik und in anderen Fächern, verhält es sich ähnlich. Zumindest in meinen Augen gibt es keinen Grund, warum nicht jedes Kind die höchste Kompetenzstufe erreichen sollte, wenn ich als Lehrer gut erkläre und ausreichend vielfältige Übungsmöglichkeiten biete. Durfte ich jetzt meinen Kindern Einser geben? Ich forschte weiter.
    Ich studierte die bereits beschriebenen Vorgaben der

Weitere Kostenlose Bücher