Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Begabungstheorie auf. Es hat eine eingeschränkte und keine zukunftsweisende Vorstellung von Lernen und herrscht mit einem fragwürdigen Verständnis von Leistung.
Ein Blick in die Geschichte erklärt hierbei vieles: Im Mittelalter lag das Schulwesen vollkommen in der Hand der Kirche, die an einer Bildung des Volkes nicht sonderlich interessiert war. Um für Priesternachwuchs zu sorgen, wurden Knaben ab dem Alter von sieben Jahren in Kloster- und Domschulen
unterrichtet, die sowohl eine Elementarschule wie auch die höhere Schule umfassten, in der die aus der Antike überlieferten Artes Liberales, also die klassischen freien Künste, gelehrt wurden. Dazu gehörten Grammatik, Rhetorik, Dialektik sowie Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.
Lesen und Schreiben konnten damals also allein die Kleriker, die deshalb auch sämtliche Verwaltungsaufgaben übernahmen. Die Kinder armer Leute konnten lediglich in diese Schulen aufgenommen werden, wenn sie durch Schenkungen oder Stiftungen begünstigt wurden.
Diesen inneren Schulen wurden später äuÃere angegliedert, die auch von all den Kindern des Adels und der Bürger der Städte besucht werden konnten, die nicht den geistlichen Beruf ergreifen wollten. Kinder des einfachen Volks auf dem Land dagegen erhielten Unterricht durch den Pfarrer, vornehmlich in Religion, meist am Sonntag nach dem Gottesdienst. Infolge der Reformation wurden viele der Schulen geschlossen, vor allem in protestantischen Gebieten fehlte dadurch für viele komplett der Unterricht.
Martin Luther forderte schlieÃlich die allgemeine Schulpflicht, damit auch das niedere Volk lesen und schreiben lerne, da die Bibel die Grundlage des Glaubens sei und es daher jedem möglich sein sollte, sie zu lesen. In protestantischen Ländern wurde deshalb das Schulwesen gut ausgebaut, zum Teil sogar eine Schulpflicht eingeführt. Höhere Schulen wurden vermehrt vom Magistrat der Städte und von den Landesherren gegründet. In Pfalz-Zweibrücken galt sie seit 1592 für Mädchen und Knaben, in StraÃburg seit 1598, in Württemberg seit 1649 und in PreuÃen schlieÃlich seit 1717. In katholischen Gegenden war das niedere Schulwesen deutlich unterentwickelt. Das höhere Schulwesen blieb zunächst noch in Händen der Kirche, vor allem des Jesuitenordens. Zu Beginn der Neuzeit stellte das aufstrebende Bürgertum die Vorherrschaft des Adels infrage. Eine Verweltlichung und Ãbernahme durch den Staat begann ab dem 18. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung. Die Schulpflicht wurde nach und nach auch in katholischen Ländern eingeführt, wenn auch sehr spät, in Ãsterreich 1774, in Bayern erst
1802. Aber es dauerte lange, bis sie auch durchgesetzt wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts besuchten im Schnitt mehr als 80 Prozent der Kinder die Elementarschule. Die anderen Kinder konnten nicht zur Schule: Zum Teil waren die Eltern nicht in der Lage, das Schulgeld zu bezahlen, zum Teil weigerten sich die Unternehmer, in deren Fabriken die Kinder arbeiteten, und die Gutsherren, die meinten, Bauernkinder bräuchten nichts zu lernen. Allmählich bildete sich ein dreigliedriges Schulsystem heraus. Neben den Elementarschulen bestanden weiterhin die höheren Schulen, die von Kindern der Adligen und des Bildungsbürgertums besucht wurden. Dazu kamen speziell in den Städten Schulen, in denen kaufmännische Fähigkeiten gelehrt wurden, sowie Naturwissenschaften und moderne Sprachen. Diese Schulen besaÃen keine Oberstufe. Die Dreigliedrigkeit entsprach der Ständegesellschaft. Jede Schulart vermittelte die Bildungsinhalte, die der jeweiligen Schicht nützlich waren. Die unteren Schichten wurden konsequent von höherer Bildung ausgeschlossen.
Wilhelm von Humboldt entwarf bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ein dreistufiges Schulsystem für alle Kinder mit Elementarschule, Gymnasium und Universität, das er schon damals für angebrachter hielt. Dabei sollte das humanistische Gymnasium die einzige weiterführende Schulart für alle Kinder sein. Trotz jeglicher reformpädagogischer Bestrebungen hat sich das aus den Ständen entwickelte gegliederte Schulwesen aber bis heute gehalten. Um dessen Erhalt wurde von den oberen Schichten teilweise bitter gekämpft: Sie wollten sich ihre Privilegien nicht nehmen lassen, die sie dank höherer Schulbildung innehatten.
Erst in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gelang
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