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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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schwach begabtes Kind vor uns, mit Schwierigkeiten in Mathematik. Wir wissen nichts über das tatsächliche Können dieses Kindes, wir wissen nichts über die Aufgabenstellung und noch weniger über die Bewertungsstruktur und den Bewertenden. Aber wir interpretieren das Ergebnis sofort. Bei einer Eins verhält es sich nicht anders. Auch hier wissen wir nicht, in welchem Rahmen, unter welchen Bedingungen und
bei welchen Aufgaben diese Note von wem gegeben wurde. Aber wir verbinden eine Eins sofort mit besonderer Fähigkeit und Intelligenz. Wir übersehen meist, dass Noten nur relativ gegeben werden und es damit immer gute und schlechte Kinder geben muss. Warum wundern wir uns beispielsweise nicht, dass sich die Noten der Kinder nach dem Übertritt aufs Gymnasium schon bei den ersten Proben erneut über die ganze Notenskala erstrecken, obwohl all diese Kinder noch wenige Wochen vorher Einser und Zweier geschrieben haben? In jeder Gruppe, unabhängig vom tatsächlichen Können, kann man eine Verteilung herstellen, auch unter Nobelpreisträgern. Und wir blenden aus, welchen übermächtigen Einfluss der Faktor Zeit hat. Die meisten Kinder können die Inhalte wenige Wochen nach der Probe genauso gut wie die Einserschüler, die meist einige Monate älter und von der Herkunft her privilegiert sind. Aber statt zu sagen, dieses oder jenes Kind hat einige Inhalte noch nicht lernen können, machen wir eine Potenzial- und Intelligenzaussage aus einer schlechten Note. Diese Zahlen bekommen eine unangemessen große Bedeutung, die teilweise sogar das Leben dieser Kinder bestimmt: Einigen öffnen sie, anderen verschließen sie Türen.
    Im Informationskapitel „Noten” (siehe ab Seite 285) sind die wichtigsten Aspekte zusammengetragen, die die Notengebung beeinflussen und nachgewiesenermaßen zu einem wenig aussagekräftigen Verfahren machen. Diese reichen von berechen-, aber veränderbaren Vorgaben wie dem Notenschlüssel oder den Gewichtungen von Aufgaben bis hin zu subjektiven Aspekten, etwa ob eine Arbeit am Schluss oder am Anfang korrigiert wurde, wen der Lehrer besonders sympathisch findet, welche Kriterien er überhaupt anlegt, wie er beispielsweise die ordentliche Schrift bewertet, und zu guter Letzt die Orientierung an einem Notendurchschnitt, welcher der gängigen Erwartungshaltung entspricht.
    Noten lügen. Noten täuschen über das hinweg, was Kinder tatsächlich sind: Fähige Wesen, die alle lernen können, alle unterschiedlich sind und alle individuelle Unterstützung auf ihrem Weg brauchen.
    INFORMATIONSKAPITEL „INTELLIGENZ”
    Intelligenz, Intelligenztests und Intelligenzquotient
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    Wie definiert man Intelligenz?
    Intelligenz ist ein theoretischer Begriff, ein Konstrukt . Mit Intelligenz werden Eigenschaften verbunden, die in der Gesellschaft vorherrschen und im sozialen oder beruflichen Leben als vorteilhaft gelten. 1 Es gibt aber tatsächlich gar nicht die Intelligenz, sondern viele verschiedene Intelligenzmodelle 2 : Verbale, numerische, akademische, analytische, musische, motorische … oder auch soziale, praktische und emotionale Intelligenz. Bis heute konnte sich die seit über hundert Jahren bestehende wissenschaftliche Intelligenzforschung auf keine allgemeine, verbindliche Definition einigen. So etwa könnte die komplizierte Definition eines so komplizierten Sachverhalts aussehen: Intelligenz ist die Fähigkeit, sich in neuen Situationen aufgrund von Einsichten zurechtzufinden und Aufgaben mithilfe des Denkens zu lösen, wobei nicht auf eine bereits vorliegende Lösungsstrategie zurückgegriffen werden kann, sondern diese erst aus der Erfassung von Beziehungen abgeleitet werden muss. 3
    Â 
    Messung der Intelligenz: Was leisten Intelligenztests?
    Wie soll man dieses komplexe Konstrukt messen, das nicht einmal genau zu definieren ist? Kann Intelligenz durch einen „Einheitstest“ überhaupt erfasst werden? 4
    Ein erster Intelligenztest wurde vor ungefähr hundert Jahren von dem französischen Psychologen Alfred Binet (1857—1911) entwickelt, da er herausfinden wollte, welche Kinder dem normalen Schulunterricht nicht folgen konnten und daher andere Unterrichtsformen benötigen. 5
    Vorschulkinder, Schulkinder und Jugendliche werden auf verschiedenen Ebenen getestet, ihrer jeweiligen Altersstufe entsprechend. Heute gibt es etwa achtzig aktuelle Intelligenztests in Deutschland, die

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