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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Menschen beziehungsweise wie stark sich der Unterschied zwischen einem IQ von hundertdreißig und einem von fünfundachtzig in der Realität tatsächlich auswirkt (siehe auch Informationskapitel „Intelligenz“, ab Seite 332). Wie bei den Noten werden individuelle Bedingungen oder Entwicklungsunterschiede nicht berücksichtigt, die Testergebnisse der
Kinder werden altersbezogen ermittelt. Das bedeutet auch, dass hier Kinder zusammengefasst werden, die einen Altersunterschied von einem ganzen Jahr haben können. Ein Blick auf die Intelligenztests zeigt zudem schnell, dass der Punktwert größer wird, je mehr Aufgaben eine Person in einer bestimmten Zeit gelöst hat. Ähnlich wie in der Schule spielt Zeit also eine entscheidende Rolle. Zeit im Sekunden- und Minutenbereich und zudem Aufgaben, die sich lediglich auf einen sehr eng begrenzten Kompetenzbereich beziehen. Die Zahlenwerte suggerieren eine hohe Aussagekraft. Fälschlicherweise wird damit auch die Überzeugung manifestiert, Intelligenz sei eine feste Größe. Genau das Gegenteil ist der Fall. Intelligenz kann sich in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren entwickeln, unter anderem durch eine anregende Umgebung und Übung. Lernen macht intelligent!
    Begabung ist ebenfalls keine genetisch feststehende Größe. Begabt sind Kinder, denen etwas gegeben wurde, die lernen durften und diese Fähigkeiten ausprägen konnten. Lernen ist ein Begaben, Kinder müssen be„gab“t werden.
    Es ist also tatsächlich so, dass Kinder und Jugendliche, die von höherer Bildung ausgeschlossen wurden, gar keine Möglichkeit hatten, ihre Intelligenz und ihre Kompetenzen zu entwickeln. Sie haben nicht die Unterstützung und die Förderung erhalten, die sie dazu befähigt hätte. Sie haben nicht die Zeit bekommen, um Rückstände aufzuholen, die sie beim Start in Kindergarten oder Schule aufgrund ihrer Herkunft hatten. Stattdessen wurden sie in unserem Schulsystem jahrelang demoralisiert und demotiviert. Sie werden durch dieses System schließlich zu den „Risikoschülern“ gemacht, denen Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik fehlen, zu den Schülern, die die einfachsten Fragen zur Allgemeinbildung nicht beantworten können, zu den „nicht ausbildbaren“ Jugendlichen. Unser Schulsystem selbst und in gewisser Weise auch unsere Gesellschaft produzieren die Bildungsverlierer.
    Wir haben uns heute angewöhnt, vieles messen und in Zahlen ausdrücken zu wollen. Das dient oft der Vereinfachung, doch vergisst man dadurch häufig, worum es im Grunde essenziell
geht. Nicht selten werden die Zahlenergebnisse dem Sinn der Fragestellung gar nicht mehr gerecht. Der Body-Mass-Index gibt an, ob eine Person in Abhängigkeit von ihrer Größe zu dick ist, doch viele Faktoren werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Ein durchtrainierter Sportler wird dadurch vielleicht aufgrund seiner Muskelmasse als übergewichtig eingestuft und erhält angesichts der Zahlenwerte die Empfehlung, abzunehmen und mehr Sport zu treiben. Die Berechnung des BMI „Gewicht geteilt durch die Körpergröße im Quadrat“ wird nicht hinterfragt. Für so ziemlich alles gibt es inzwischen Angaben, die berechnet werden. Und wenn Ergebnisse nicht passen, werden die Formeln geändert oder Grenzwerte verschoben. Man bildet Summen und Durchschnitte, dividiert und potenziert, erstellt Formeln und Gleichungen. Zahlen haben in unserer Zeit eine allzu große Überzeugungskraft. Dank unserer Zahlengläubigkeit meinen wir, etwas habe Gültigkeit, nur weil es berechenbar ist. Wir messen diesen Zahlen eine große Bedeutung bei, wir setzen Zahlen mit Aussagen gleich, ohne zu hinterfragen, wie ein Wert entstanden ist und ob er tatsächlich eine Aussagekraft hat. Und oft sehen wir aufgrund dessen den Menschen nicht mehr, wollen ihn manchmal vielleicht gar nicht mehr sehen.
    Wir hinterfragen nicht, was ein IQ von neunzig tatsächlich bedeutet, ob diese Zahl überhaupt wirklich eine nützliche Aussage macht oder auf welchen Bereich diese beschränkt ist und welchem Zweck sie dient. Wir hinterfragen auch selten, wie und unter welchen Bedingungen dieser Messwert entstanden ist. Wir hören neunzig und legen dem eine zugeordnete Bedeutung bei. Ebenso verhält es sich bei den Noten. Wir hören „eine Vier in Mathematik“ und sofort ist die Deutung naheliegend, wir hätten ein

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