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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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das denn noch nicht?” „Nun stell dich doch nicht so an!”, „Das ist doch ganz einfach, das muss man doch kapieren!”, „So blöd kann man doch gar nicht sein!”. In den Familien spielen sich Dramen ab. Nicht wenige Eltern sitzen viele Stunden mit ihren Kindern an den Hausaufgaben oder lernen zusätzlich noch stundenlang mit ihnen. Schule ist in vielen Familien das Streitthema Nummer eins und macht häufig auch vor der Ehe der Eltern nicht halt. Oft hat ein Vater, der abends nach Hause kommt und während der Woche wenig vom Alltag seines Kindes miterlebt, kein Verständnis dafür, dass seine Frau es einfach nicht hinbekommt, dass der Bursche lernt. Warum die Hausaufgaben nicht vollständig seien, oder ob sie nicht einmal diese einfachen Rechenaufgaben richtig erklären könne? Es müsse mehr geübt werden, jetzt gäbe es erst einmal Fernsehverbot und außerdem dürfe Julius nur noch einmal die Woche mit den anderen Kindern draußen spielen. Sarah wird vom Sportunterricht abgemeldet und Joschka geht nun zur Nachhilfe statt zum Geigenunterricht. Viele Fähigkeiten und Werte verlieren in dieser Zeit an Bedeutung. Wichtig ist allein, ob die Punktzahl
in der Probe stimmt. Mit welcher Muße ein Kind arbeitet, kann sogar kontraproduktiv sein, es kostet zu viel Zeit. Ob Maike die Buchstaben richtig schreiben lernt und eine flüssige Handschrift entwickelt, ist irrelevant. Wie Stefan mit seinen Klassenkameraden umgeht, interessiert im Wesentlichen auch niemanden mehr. Wichtig sind ganz bestimmte Fertigkeiten zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, die den Kindern antrainiert werden können — und auch werden. Zumindest wird der Versuch unternommen.
    Kommt das Gespräch darauf und erzählen Kinder von dem schlimmsten Satz, den die Mutter oder der Vater einmal zu ihnen gesagt hat, verschlägt es einem den Atem. Wenn das Kind nicht aus einem wirklich desolaten Elternhaus kommt, in dem es schon früh zu hören bekam, dass es nicht erwünscht ist, haben die meisten schlimmen Sätze mit der Schule zu tun: „Du bist das dümmste Kind, das ich je gesehen habe!“, „Bald kommst du ins Internat oder ins Kinderheim, das Theater mit dir mache ich nicht mehr lange mit!“, „Schon wieder eine Vier, du taugst ja zu gar nichts …“.
    Eltern verzweifeln an ihren Kindern, die einfach nicht den schulischen Anforderungen genügen. Oh stopp … den Anforderungen genügen sie ja eigentlich schon, wenn sie die Note „Vier“ haben — warum versteht das nur keiner? Warum freut sich nicht jeder, wenn das Kind eine Vier bekommt? Warum können Kinder wie Eltern nicht verstehen, dass ein Kind mit der Note „Drei“ ja schon zusätzliche Qualifikationen erfüllt und dass man eben nicht von allen Schülern dieses „Mehr“ erwarten kann? Dabei wird auf den Elternabenden doch extra darauf hingewiesen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich sogar überprüft wurde, ob ich genau diese Information auch an die Eltern der mir anvertrauten Kinder weitergab: Wer den Stoff des Unterrichts beherrscht und die Hefteinträge gelernt hat, erfüllt die Mindestanforderung und bekommt die Note „Vier“. Für bessere Noten müssten zusätzliche Leistungen erbracht werden.
    Vielleicht liegt das Unverständnis darin, dass ein Kind mindestens einen Schnitt von 2,66 braucht, um auf eine höhere
Schule zu gehen? Dass es also einfach nicht genügt, den Anforderungen zu genügen? Vielleicht auch daran, dass eine Drei oder Vier als Note „schöngeredet“ werden kann, so oft man will, aber dass es einfach keine guten Noten sind?
    Ist es dann nicht verständlich, dass Eltern nicht einfach ruhig zusehen, was mit ihren Kindern passiert, sondern alles tun, um ihnen einen guten Schulabschluss und damit eine aussichtsreiche Zukunft zu ermöglichen? Denn Eltern ist bewusst, dass in unserem Schulsystem eine schwerwiegende Entscheidung über die Möglichkeit zu diesem Abschluss fällt, wenn die Kinder gerade mal neun Jahre alt sind.
    Von Angst getrieben: die falsch verstandene „Förderung“
    Es geht den Eltern meist gar nicht darum, unbedingt einen Akademiker zu „züchten“. Aber wer schon einmal eine Anzeige gelesen hat, in der eine normale Einzelhandelskauffrau als Kassenkraft gesucht wird, die als Voraussetzung das Abitur mitbringen muss, oder wer im

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