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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Dieser oft nicht reibungslos ablaufende Vorgang dürfe nicht allein jenem Lehrer zugemutet werden, der später die Kinder in der vierten Klasse als Klassenleiter begleite. Es gäbe weniger Schwierigkeiten mit Eltern, wenn schon in den Vorjahren klare Worte gesprochen würden. Und das geht eben nun weiter und weiter bis in die frühe Kindheit, bis in die erste Klasse und sogar schon in den Kindergarten, auch dort will sich niemand nachsagen lassen, er hätte nicht rechtzeitig informiert.
    Auch die Schule an sich will sich nichts vorwerfen lassen. Förderkurse werden eingerichtet, um Kindern mit Schwächen die Gelegenheit zu geben, sich in einer Kleingruppe ein weiteres Mal mit Inhalten auseinanderzusetzen. Absichern heißt die Devise. Sorgfältig wird notiert, welches Kind den Kurs besucht hat, Eltern müssen sich schriftlich erklären, wenn sie ihr Kind nicht am Förderkurs teilnehmen lassen wollen, der Vermerk kommt in die Schülerakte. Individuelle, teils hochtrabende Förderpläne werden erstellt, dabei müssten manche Kinder einfach nur regelmäßig laut vorlesen. Dass dieser Förderunterricht meist lediglich einmal wöchentlich in der sechsten Stunde stattfindet, in der die Kinder schon nicht mehr aufnahmefähig sind oder am Nachmittag, wenn endlich mal Spielen angesagt wäre und die Kinder allein deshalb recht lustlos oder gar widerwillig daran teilnehmen, oder gar zeitgleich zum normalen Unterricht, sodass die Kinder dadurch anderen Stoff versäumen, den es dann wieder nachzuholen gilt, steht nicht in der Schülerakte.
Ebenso wenig wird vermerkt, dass häufig bis zu zwanzig Kinder mehrerer Parallelklassen oder sogar jahrgangsübergreifend an so einem Förderkurs teilnehmen und die unterrichtende Lehrkraft die Kinder gar nicht kennt. Ein individuelles Fördern ist daher erneut nicht substanziell sinnvoll möglich.
    All diese Bedingungen, unter denen diese Art „Förderung“ stattfindet, sind später auch nicht mehr ablesbar, wenn dann im Zeugnis steht: „Trotz Förderunterricht konnte Stefan seine Leistungen nicht verbessern.“ Aber was solch eine Bemerkung wohl mit Stefan macht?
    Dabei könnte individuelle Förderung von Kindern in vielen Fällen weit effektiver und weniger schmachvoll innerhalb einer Klasse stattfinden, wenn der Unterricht freier gestaltet werden könnte und der Lehrer mehr Zeit zur Verfügung hätte.
    Aber nicht nur in der Schule versucht man, die Kinder zu fördern, sondern auch daheim. Falls jemand daheim ist. Viele Kinder haben dieses Glück nicht. Da arbeiten beide Eltern tagsüber und kommen erst abends erschöpft nach Hause. Oft ist nicht einmal Zeit und Muße für ein gutes Gespräch. Und wenn doch, gleitet dieses nicht selten in einen Streit über Hausaufgaben und Noten ab oder die wenige verbleibende gemeinsame Zeit wird genützt, um schulische Inhalte für die kommende Probe zu erklären und zu üben. Diesen Kindern bleibt vieles selbst überlassen, womit sie oft einfach überfordert sind. Manche haben wenigstens einen der begehrten Hortplätze ergattert. Dort beaufsichtigen zwei Betreuer zwanzig Kinder. Ein zusätzliches individuelles und nötiges Üben und Wiederholen geschweige denn ein intensives Lernen ist allerdings kaum möglich, so liebevoll und herzlich die Erzieherinnen auch mit den Kindern umgehen, und so sehr sie sich bemühen, den Hort oder die Mittagsbetreuung neben den Hausaufgaben attraktiv zu gestalten. Im Hort ist man manchmal schon froh, wenn die Kinder ihre Hausaufgaben zumindest einigermaßen erledigt haben. Wie diese erledigt werden, ist fast zweitrangig, Hauptsache, sie sind gemacht und es gibt am nächsten Tag in der Schule keinen Strich für fehlende und unvollständige Hausaufgaben und keine Beschwerden von den Eltern — mehr kann
unter den gegebenen personellen Bedingungen häufig nicht geleistet werden. Eltern lassen sich einfach nicht wirklich ersetzen. Eine Eins-zu-eins-Situation mit einem vertrauten Menschen, die bei der derzeitigen Schulsituation nahezu alle Kinder brauchen, um die Inhalte noch einmal ganz intensiv und in einem geschützten, persönlichen Rahmen zu wiederholen, lässt sich im Hort nicht realisieren. Je jünger ein Kind ist, umso wichtiger ist es, dass es jederzeit auf einen Ansprechpartner zurückgreifen kann und zumindest zeitweise am Tag jemanden für sich allein hat, der

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