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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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zugezogenen Schüler, das Aufgreifen von Themen, die sich die Kinder gewünscht haben, oder irgendetwas anderes, was Zeit kostet, wie Theaterspielen, Projekte oder Ausflüge, wird auf ein Minimum begrenzt werden müssen. Ansonsten wären die Kinder in dieser Klasse ja gegenüber denen aus den Parallelklassen benachteiligt. In dem Aspekt der „Gerechtigkeit zwischen den Klassen“ gibt es ohnehin schon genug Beschwerde-Potenzial: Die eine Klasse hätte das mehr geübt, die andere weniger, hier hätte die Antwort auf die Frage im Heft gestanden, bei den Kindern der anderen Klasse nicht. Das führt dazu, dass es in vielen Schulen nun die Vorgaben gibt, insbesondere in der dritten und vierten Jahrgangsstufe, alle Hefteinträge und Arbeitsblätter in der gesamten Jahrgangsstufe einheitlich zu machen.
    An einigen Schulen ist es auch so, dass sogar der Wochenplan gemeinsam festgelegt wird, also welcher Inhalt an welchem Tag in welcher Stunde durchgenommen wird, und man sich teilweise sogar auch über das absprechen muss, was mündlich im Unterricht durchgenommen wird. Jeder Elternbeschwerde
kann man nun entgegentreten, alle Kinder hätten die gleichen Bedingungen, die Kriterien für die Probe wären festgelegt, die Korrekturen und die Notenverteilung in allen Klassen gleich, das Kind hätte die erhaltene Note verdient. Gegen diese Mauer kommen auch Rechtsanwälte kaum mehr an. Was auch hier auf den ersten Blick vielleicht nachvollziehbar, gerecht und sinnvoll wirkt, hat die katastrophalsten Auswirkungen. Denn wenn sogar einzelne Stunden festgelegt sind, wird der Klassenleiterunterricht immer mehr zu einem Fachunterricht, der nahezu keinen Raum lässt. Die ganzheitliche Entwicklung der Kinder wird damit immer mehr in den Hintergrund gerückt. Eltern vergleichen oft die täglichen Hefteinträge, da kann man sich nicht erlauben, hinterherzuzuckeln. Die eine Klasse hätte ja nun mehr Zeit zum Lernen gehabt als die andere und wäre dadurch in den Proben im Vorteil. Wichtig ist dann nur noch, dass alles Äußerliche, das Formale, seine Richtigkeit hat. Solch ein Unterricht entspricht keinem der Kinder.
    Das Lernen und Wiederholen an sich muss aufgrund des knappen Zeitrasters in der Schule bis zur nächsten Probe sowieso häufig daheim erfolgen. Eine oft gehörte Begründung für eine schlechte Note ist: Der oder die hätte nicht genug gelernt, er oder sie hätte eben mehr üben müssen. Aus Lehrersicht ist dieser Vorwurf oft begründet und nachvollziehbar, wie sollte man das auch noch in der Schule schaffen? Manch ein Elternteil fragt sich dennoch, ob das Lernen nicht eigentlich in der Schule stattfinden sollte — zu Recht, denn dafür ist Schule schließlich da. So erzählt eine Mutter, sie habe den Eindruck, als ob in der Schule eigentlich nur noch angeordnet würde, was das Kind und die Eltern dann zu lernen hätten: Ein Mal wird es erklärt, ein Mal ins Heft geschrieben, der Rest liegt in der Verantwortung des Elternhauses. Womit erneut die Benachteiligung der Kinder deutlich wird, deren Eltern nicht die Zeit und die Möglichkeiten für ein permanentes außerschulisches Lernen haben und auch nicht die finanziellen Mittel, um Nachhilfelehrer zu bezahlen.
    Das zugrunde liegende Problem ist, dass Schule heutzutage nicht für eine individuelle Betreuung jedes Kindes sorgt und
bislang in den Regelschulen nicht einmal den notwendigen Rahmen dafür hat. Kinder im Grundschulalter brauchen noch Bezugspersonen, die sich in einer Eins-zu-eins-Situation um sie kümmern. Gerade in den Schulanfangsjahren erkennt man oft nur in solchen Situationen, welches Detail ein Kind möglicherweise noch nicht verstanden hat, wo ein inneres Bild ergänzt, welcher Teilaspekt noch geübt werden muss, um einen vollständigen Erwerb der Kulturtechniken zu gewährleisten. Gerade auch beim Lesenlernen führt nichts daran vorbei, dass ein Kind das laute Lesen täglich und über einen Zeitraum von mehreren Minuten mit einer anderen Person übt, sich über die Inhalte unterhält, Fragen zum Text im Gespräch beantwortet, die Bedeutung des Lesens wertschätzen lernt und Lob für die erbrachte Leseleistung erhält. Damit alle Kinder gut lernen, muss dafür gesorgt sein, dass jedes Kind die Möglichkeit hat, mit einer erwachsenen Bezugsperson oder auch einem weit älteren Schüler zu arbeiten, um bei individuellen

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