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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Vorgehensweise, welche Methode passend ist. Die Intuition ist ein so wertvoller Begleiter. Aber all das ist nicht mehr möglich, wenn festgelegt ist, was ich in einer bestimmten Stunde wie tun muss. Der kleine Rest Flexibilität, der mir dann noch bleibt, mal eine Einheit hierhin und die andere dahin zu schieben, genügt einfach nicht.
    Dazu kommt, dass die in den Gleichschritt gezwungenen „Lehrerteams“ sich ja nicht freiwillig gefunden haben — die Lehrer einer Jahrgangsstufe müssen einfach zusammenarbeiten, egal wie sinnvoll oder schwierig das ist. Allein vier Menschen regelmäßig an einen Tisch zu bringen und die gesamte Planung abzusprechen ist eine Herausforderung. Um jedem Einzelnen dann auch noch gerecht zu werden, wären jede Woche Stunden des Besprechens und Diskutierens nötig, schnell einigt man sich dann nach meiner Erfahrung oft auf einen ziemlich kleinen gemeinsamen Nenner. Sicher entlastet diese Teamarbeit bei der Materialerstellung, mal bringt der eine ein Arbeitsblatt ein, mal der andere, mal erstellt der eine die Probe, mal der andere. Aber zu welchem Preis? Auch darf man nicht vergessen, welche Charaktere da zusammenkommen. Häufig trifft eine Junglehrerin auf bereits ältere Pädagogen. Da trifft dann innovativer Geist auf Erfahrung. Beide Parteien brauchen hier sehr viel Kompromissbereitschaft, um miteinander
etwas zu gestalten. Wie viel geht dabei verloren! Es erfordert schon sehr viel Offenheit, um darin immer eine Bereicherung zu sehen. Denn eine Bereicherung ist es nur, wenn man wählen kann, ob man diese oder jene Aspekte mit aufnehmen möchte. Aber in dieser Konstellation muss man sich jede Woche aufs Neue auf eine einheitliche Vorgehensweise, auf konkrete Inhalte, Materialien und Methoden, ja teilweise sogar darauf, was im Unterricht gesagt wird, einigen. Und „müssen” ist einfach ganz etwas anderes als „können“ und „dürfen“. Zudem trifft man manchmal auch auf Kollegen, denen es tatsächlich genügt, in den Pausen Arbeitsblätter relativ beliebig zu kopieren, die in den folgenden Wochen mit den Kindern einfach abgearbeitet werden. Bei denen kein Interesse vorhanden ist an irgendetwas darüber hinaus — da kann man als Lehrer, der sich um seine Kinder kümmern möchte, schon verzweifeln, wenn hier ein Gleichklang gefordert wird.
    Dabei sind Lehren und Lernen individuelle Prozesse. Der Lehrer wirkt hauptsächlich durch seine Person, seine Persönlichkeit, durch die individuelle Art, wie er lehrt, durch die Beziehung, die er mit jedem Kind aufbaut. Das „Paket“ Lehrer-Schüler-Sache muss stimmig sein. Jeder Lehrer muss hier seinen Weg finden und finden dürfen. Kinder sollen immer freier arbeiten und individueller gefördert werden, der Lehrer aber wird zunehmend zum Gegenteil genötigt, muss immer eingeengter arbeiten, immer umfassender kontrollieren und protokollieren und fortlaufend mehr seiner Individualität und seiner Authentizität aufgeben. Er verfügt zunehmend nicht mehr über den Freiraum und die Verantwortung, die er benötigen würde, um die ihm anvertrauten Kinder gut auszubilden und auf ihrem persönlichen Weg zu begleiten. Ein individuelles Arbeiten mit den Kindern seiner Klasse ist einfach nicht möglich, wenn er sich vorher mit den Parallelklassen auf gleiche Inhalte und Vorgehensweisen verständigen musste. Die beispielsweise dort beschlossene augenscheinliche Differenzierung von Aufgabenstellungen in drei Schwierigkeitsgrade entspricht in keinster Weise der individuellen Förderung, die unsere Kinder verdienen. Doch der Vorwurf, Lehrer seien Einzelkämpfer,
setzt manch einen unter hohen emotionalen Druck — wer lässt sich so etwas schon gern vorhalten? Dabei sollte gesehen werden, dass der Lehrer schlussendlich allein mit seinen Kindern arbeitet und somit allein entscheiden muss. Nur er kann im jeweiligen Moment spüren, was zu tun ist — denn er ist allein! Und das ist oft auch gut so, denn zu viele Köche verderben den Brei. Was für ein Unsinn ist es dann, Teamarbeit zu fordern, die in dieser Form kontraproduktiv ist. Dieses Vorgehen führt immer weiter dahin, dass nur noch das Fachliche wichtig ist, die Beziehung zwischen Lehrer und Kindern immer weniger Raum, immer weniger Bedeutung bekommt. Man muss darum schon geradezu kämpfen. Dass ich regelmäßig einen Morgenkreis mache, wurde gerade noch geduldet,

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