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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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von der Turnhalle oft nur knappe zwanzig bis dreißig Minuten Sport hat (und wenn die Stunde nach einer Pause stattfindet, gar noch weniger) und dass allein der Auf- und Abbau von Geräten mit den Kleinen genauso viel Zeit kostet — daran scheinen Schulbehörden und andere Gremien nicht zu denken. Dass die Zeit an anderer Stelle wieder fehlt, wenn die Kinder sich schon in der vorhergehenden Stunde umziehen dürfen und nach der Sportstunde eine Trinkpause genehmigt bekommen, wird auch nicht berücksichtigt. Oft ist die Turnhalle außerdem nahezu permanent belegt. Eine vierzügige Grundschule hat sechzehn Klassen, die jeweils zwei bis drei Stunden Sport pro Woche haben, eine Woche hat dreißig Vormittagsstunden. Meist gibt es nur eine Einfachturnhalle, und so müssen vor allem die jüngeren Klassen oft in einen etwa acht Schritt breiten und ebenso langen Gymnastikraum ausweichen, in dem sie die nächsten zwei Jahre Sportunterricht haben. Pech, wenn der Rektor auch noch der Meinung ist, drei schon recht verschlissene Softbälle würden, neben einem Korb voller uralter und inzwischen hart gewordener Gymnastikbälle als Sportgeräte völlig ausreichen, es gäbe schließlich noch ein paar Matten und man könne auch einen Bock nutzen — ob ein Anlauf von fünf Metern genügt?
Dass unter diesen Umständen teilweise mehrere Kinder in einer Sportstunde aneinander laufen und sich wehtun, manche Kinder schon gar nicht mehr laufen, sondern sich bei Spielen nur noch vorsichtig gehend bewegen, wird als „mimosenhaft“ abgetan.
    Und wie geht es den Kindern, wenn gleichzeitig von einem einzigen Lehrer neunundzwanzig Schüler im Schwimmen unterrichtet werden müssen, darunter auch sechs Nichtschwimmer? Vierzehntägig bin ich für eine Doppelstunde zu dem fünfundzwanzig mal zwölf Meter großen Becken gefahren. Wenn man Fahrzeit und Umkleiden, das Duschen und das Haaretrocknen bei neunundzwanzig Kindern an drei Fönen abzieht, blieben kurze fünfundvierzig Minuten tatsächliche Schwimmzeit zur Verfügung. Ein wenig Wassergewöhnung und Spiel am Ende sollte drin sein, so bleiben fürs tatsächliche Üben wieder nur knapp fünfunddreißig Minuten. Die Kinder können aufgrund der Größe des Bades aber nur in Gruppen schwimmen, alle paar Minuten muss eine Gruppe aussetzen — und frieren. Damit der Lehrer neue Übungen vorstellen kann, müssen die Kinder aus dem Wasser kommen, denn selbst durch das ruhige Geplätscher von neunundzwanzig Kindern, die sich lediglich am Rand des Beckens festhalten, könnten nur wenige Kinder den Lehrer akustisch verstehen, die anderen sind zu weit weg.
    Am Ende des Jahres, in dem ich wohlwollend gerechnet insgesamt fünfzehn solcher Einheiten gehalten hatte, sollte ich alle Kinder im Brust-, Rücken— und Kraulschwimmen sowie im Startsprung und im Tauchen benotet haben. Wichtig ist selbstverständlich auch hier, dass Noten „adäquat” gegeben werden, das heißt, jedes Kind muss vorschwimmen und vom Lehrer einzeln begutachtet werden — wobei aus sicherheitstechnischen Gründen dann kein anderes Kind im Wasser sein darf. Man kann zwar eine Mutter zur Aufsicht mitnehmen, die Verantwortung trägt man jedoch allein. Für das Erlernen und Üben einer Disziplin und die anschließende Prüfung hat man also bei neunundzwanzig Kindern knapp drei Schwimmstunden mit einer Schwimmzeit von jeweils einer guten halben Stunde Zeit: Brust-Beine, Brust—Arme, Atmung und Koordination sowie die
einzelne Prüfung jedes der neunundzwanzig Kinder in etwas mehr als neunzig Minuten. Respekt, wer das schafft.
    Wundert es, dass die Nichtschwimmer auch im zweiten Jahr eines solchen Unterrichts das Schwimmen nicht erlernt haben? Wundert es, dass diese Kinder Schwimmen nicht mögen und vielleicht schon denken, sie seien einfach unfähig, schwimmen zu lernen? Spricht man dann einem Vorgesetzten gegenüber aus, dass man unter diesen Umständen gar nicht wirklich unterrichten könne und dass zumindest die Nichtschwimmer doch eine besondere Betreuung bräuchten, allein schon, damit sie keine Angst entwickeln, die anderen dann aber viel zu lange draußen sitzen und frieren würden, so bekommt man nur zu hören, dass das seit Jahren gängige Praxis an dieser Schule sei. Das mag sein, aber geht es nicht darum, dass Kinder etwas lernen, und es ihnen Freude macht? Wie es

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