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Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Titel: Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Kast
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Gewissen, geradezu einen Gewissenszwang. Durch eine Therapie hatte sich das etwas gebessert, aber er fand, er habe durch diesen Spruch nie erleben dürfen, dass Religion oder Spiritualität auch etwas Lebensförderndes sein könnte – er habe sich nur immer eingeengt und schuldig gefühlt und es sei ihm nie gelungen, diesen Geboten entsprechend zu leben. Heute empfindet er den Spruch als sadistisch.
    Das ist ein Spruch, der in vielen Poesiealben zu finden war, und nicht immer und automatisch diese verheerende Wirkung hatte oder die religiöse Biografie beeinträchtigte. Andere konnten diesen Spruch offenbar einfach »links liegen lassen«, wie eine 70 Jährige sagt, zudem wollte sie auch nicht schon an das kühle Grab erinnert werden.
    Das Nachdenken über einen solchen Satz kann einen Menschen zur Rekonstruktion der religiösen Biografie führen.

Lebensmottos
    Ein Lebensmotto ist ein leitendes, zusammenfassende Motiv, ein Leitspruch, ein Wahlspruch, unter dem das eigene Leben oder Zeiten unseres Lebens stehen. Lebensmottos können sich an Lebensübergängen verändern. Oder man kann an veränderten Lebensmottos erkennen, dass sich etwas Grundlegendes im Leben verändert hat – zum Beispiel Grundannahmen über das Leben. Jemand mit der Grundannahme, dass anderen zu helfen das Wichtigste sei im Leben, entdeckt – gespiegelt im Lebensmotto »Jeder ist sich selber der Nächste«, dass sich etwas Grundlegendes in seinen Wertvorstellungen verändert hat.
    Lebensmottos werden in der Kindheit meistens von Eltern, Großeltern oder Lehrern vermittelt – von Menschen, die uns wichtig waren oder die uns als wichtig dargestellt wurden. Später stammen sie auch aus Büchern oder entspringen Auseinandersetzungen mit Freundinnen und Freunden. Sie sind nahe bei den Elternworten und oft damit verbunden. Mottos drücken die Einstellung zum Leben aus, mit der man aufgewachsen ist. Sie ist unbewusst, weil sie als selbstverständlich erscheint. Und diese Einstellung übernimmt man zunächst einmal, später setzt man sich hingegen eher vehement davon ab. Diese Lebensmottos sind zunächst Leitlinien, Antrieb, Motivation für das eigene Leben. Ihre Wirkung ist altersabhängig, einige davon verlieren ihre Wirkung nie. Lebensmottos – auch einander widersprechende – können nebeneinander bestehen und sich auch überlappen.
    Diese Lebensmottos zeigen das eigene Gewordensein, die psychischen Entwicklungen, die man als Mensch gemacht hat. Reflektieren wir über diese Lebensmottos, wird uns vieles aus unserem Gewordensein einsichtig.
     
    Es ist sinnvoll, sich für diese Übung in die bestimmten Lebensphasen einzufühlen.
    Das gelingt, indem man sich selber in der Imagination betrachtet: zum Beispiel in der Schulzeit, dann aber vor allem bei den Lebensübergängen, die oft von den runden Geburtstagen markiert werden. Meistens geht man dabei von Fotos aus, auf denen man sich typischerweise in einer bestimmten Lebensphase erkennt.
     
    Klara, eine 70-jährige Frau, hat Lust, Lebensmottos für ihr Leben zu finden.
    Als Vorschulkind, so sagt sie, habe ihr das Märchen vom Rotkäppchen großen Eindruck gemacht – wegen der roten Kappe. Aber eingeschärft habe man ihr, sie dürfe nicht vom Weg abgehen, sonst geschehe etwas Böses – dann komme so ein Wolf. Aber eigentlich habe sie den Wolf interessant gefunden.
    »So zwischen acht und zwölf – so genau weiß ich das nicht, aber da war ich noch in der Mittelstufe, habe ich mich heimlich mit dem Dornröschen identifiziert und ich habe gedacht: Die sollen sich doch an meiner Hecke abmühen und sich zerkratzen. Ich war unzugänglich, auch unglücklich.
    13 bis 20: Da hatte ich ein klares Motiv, und das habe ich heute noch: Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß … Niemand hat meine diabolische Seite gesehen; das gefällt mir heute noch: Die meisten meiner Bekannten halten mich für eine sehr genaue, etwas langweilige, ängstliche Frau. Von meiner wilden Seite haben sie keine Ahnung. Ich habe vieles in meinem Leben gut versteckt – und das gefällt mir.
    Nach 20: Also, ach, wie gut, dass niemand weiß, das bleibt.
    Ich erinnere mich aber, dass ich auf meinem Schreibtisch lange Zeit einen Spruch stehen hatte, er war gerahmt: Tue recht und scheue niemand …
    Dieser Spruch stammt von meiner Großmutter. Sie hat ihn mir ins Poesiealbum geschrieben: Meine Mutter kannte ihn auch, hat ihn auch ab und zu als Maxime von sich gegeben. Der Spruch sollte mich wohl ermutigen, für

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