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Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Titel: Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Kast
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rufen. Waren es wirklich wohlwollende, tragende Freundschaften? Oder waren wir nur befreundet, weil es uns etwas genutzt hat? Oder nennen wir alle »Freunde«, die wir etwas näher kennen?
     
    Vielleicht mögen Sie darüber nachdenken, wann denn eine wichtige Freundschaft begonnen hat. Eine Freundschaft muss ja wachsen: Freunde und Freundinnen sind Menschen, die uns ansprechen, die uns gefallen, auf die wir neugierig sind. Diese Neugier mündet dann in ein nachhaltiges Interesse. Sie müssen etwas mitbringen, was wir für unser Leben als Bestätigung und als Herausforderung, auf jeden Fall als Bereicherung verstehen, auf welcher Ebene auch immer. Freunde und Freundinnen bereichern das Leben, sie fordern uns nicht selten heraus, noch brach liegende Aspekte unserer Persönlichkeit zu entwickeln, ganz besonders zu Beginn einer neuen Freundschaft, aber auch, wenn sie selber Entwicklungssprünge machen.
    Sich befreunden kann man sich nur mit Menschen, die sich im Laufe der Zeit als vertrauenswürdig erweisen. Bei einer Befragung nach dem Wesen der besten Freundin 46 sagten Frauen, es sei die Freundin, bei der sich in der Beziehung am wenigsten Vertrauensbrüche ereignet hätten oder bei der diese Vertrauensbrüche auch gut wieder verarbeitet werden konnten und man auch wieder das Vertrauen riskieren konnte. Eigentlich kann man sich erst wirklich befreunden, wenn man einander vertrauen kann. Deshalb ist es auch schwer zu sagen, wann genau man sich befreundet hat. Man weiß, wann man sich zum ersten Mal gesehen hat. Aber wann die Freundschaft begonnen hat, das wissen wir meistens nicht wirklich. Sich zu befreunden als Haltung, etwa im Gegensatz zum Abschotten oder Verfeinden, heißt auch, sich zum Vertrauen zu entschließen. Auch man selbst will sich dann als vertrauenswürdig erweisen. Natürlich wird man nicht einfach naiv vertrauen, aber Vertrauen ist bei Menschen, die sich befreunden, eine Kategorie im Leben, die vor dem Misstrauen kommt. Wo man vertraut, da kann man sich auch zeigen, wie man ist, kann man über Stärken und Schwächen sprechen, ohne Neid oder Scham und Abwertung befürchten zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass der Ort des Vertrauens auch ein Vertrautsein ermöglicht: eine gute Nähe, ein Gefühl, dass wir uns auch in geheimen Regungen diesem Menschen zeigen dürfen, dass wir uns aber auch an diesen Menschen wenden können, wenn wir in irgendeiner Weise bedürftig sind, wenn wir emotional belastende Probleme haben.
    Freundschaft hat auch etwas mit Freundlichkeit zu tun. Sie ist aber viel mehr als Freundlichkeit. Unter Freunden ist man im Grunde genommen freundlich gesinnt, auch dann, wenn man gerade aktuell recht unfreundlich miteinander umgeht. Freundlichkeit ist ein großes Gut. Man kann sich in einer Freundschaft auf die grundlegende Freundlichkeit verlassen, ansonsten kann man nicht wirklich befreundet sein.
    Freundschaft, eine Beziehung, die man als freier Mensch freiwillig, nicht aus Abhängigkeit, eingeht, ist auch eine Beziehung, die frei macht. Die Freundschaft beruht letztlich auf Freiwilligkeit. Und auch wenn Freundschaften oft lange dauern und eine beachtliche Kontinuität aufweisen, die Basis ihrer Freiwilligkeit macht sie auch im Handhaben der Schwierigkeiten freier als andere Beziehungsformen. Gewiss, viele Probleme werden reguliert, indem man sich weniger sieht, die Freundschaften eigentlich gar nicht mehr wirkliche Freundschaften sind. Doch auch sie können relativ rasch wieder belebt werden, wenn es die Umstände erfordern.
     
    Bei einem Lebensrückblick mit Blick auf die Freundschaften erleben wir die Dankbarkeit für die Freundschaften, die sich ereignet und die wir dann auch sorgsam gepflegt haben und die noch existieren, falls die Freundin, der Freund nicht verstorben ist. Aber wir erleben auch Wehmut über die Freundschaften, mit denen wir nicht sorgsam umgegangen sind, oder die sich ausgeschlichen haben. Manchmal weiß man gar nicht, warum eine Freundschaft ihre Intensität verloren hat. Man hat sich aus den Augen verloren: Die Zeit hat gefehlt, die Interessen haben sich verändert, zentrale Lebensthemen deckten sich nicht mehr, man hat sie an eine Ideologie verloren … Bei allem Willen zur Kontinuität: Freundschaftsbeziehungen verändern sich – manche sind noch »historische« Freundschaften, die nicht mehr aktuell gelebt werden, die aber immer noch aus der Erinnerung an einen gemeinsamen Lebensabschnitt leben und sich speisen können und aus dem ursprünglichen

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