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Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Titel: Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Kast
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dass es bei den Großeltern nach gebratenen Äpfeln geduftet hatte. Er ließ sich länger über diesen Duft aus. »So hat es nur bei den Großeltern geduftet. Wenn es annäherungsweise so bei jemandem duftet, dann bin ich emotional verloren: Dann vertraue ich blind …«
    Mit wem hatte er eigentlich gespielt? Abwechslungsweise mit Großmutter oder Großvater:
    »Ich sehe mich noch: mit langen Haaren, die mir ins Gesicht fielen, begierig zu spielen – und die beiden wollten auch spielen, sie stritten manchmal, wer jetzt dran sei. Meine Lust am Spiel, meine Freude am Spiel, meine Spielgier – ich habe sie geteilt mit meinen Großeltern.« Das war wirklich eine geteilte Freude! Freude, Stolz und Geborgenheit vereinten sich hier. Es macht einen großen Unterschied, ob Erwachsene mit Kindern spielen, weil es sich halt so gehört, oder ob sie selber davon gepackt sind. Erst dann fühlen sich Kinder in ihrem Wunsch nach einem spannenden Spiel auch wirklich akzeptiert, und die gemeinsame Freude lässt große Verbundenheit und Nähe entstehen.
    Diese Erinnerungsspur führt zu anderen Erinnerungen: Eigentlich liebte er mehr bewegte Spiele. Er spricht von den Rollschuhen, die er bekommen hatte und auf die er so stolz war und beschreibt, wie er sich damit in die Kurven legen konnte. Und während er erzählt, führt sein Körper andeutungsweise eine elegante Kurvenbewegung durch. Und dann die Schlittschuhe …
    Die Erinnerungsspur führte ihn aber auch zu »Pleiten«, wie er sagte: Diese Wasserschluckerei beim Versuch, schwimmen zu lernen: »Wasser ist einfach nicht mein Element, noch heute nicht. Es ist mir zu nass, zu kalt …«
    Er kommt wieder zurück auf die Großeltern: Sie waren so begierig zu spielen.
    Dann sucht er den richtigen Ausdruck: Es war begieriges, begeistertes, enthusiastisches, leidenschaftliches Spielen. Gibt es diese Erfahrungsqualität noch heute?
    Er erinnert sich, zeitnah an diesen Spielerlebnissen, dass er sich für bestimmte Themen intensiv interessiert hatte. Er erinnert sich, dass er einmal fast alles über die Würmer wusste und wundert sich: »Heute interessieren die mich überhaupt nicht mehr. Aber ich kann mich hinein versetzen in dieses leicht aufgeregte Interesse. Gerade das hat meine jetzige Arbeit nicht«, fügt er bedrückt an.
    Er geht zurück zu den Großeltern. Der Großvater starb, als er zwölf war: Die Erfahrung von Tod, die Verzweiflung seiner Mutter.
    »Mit Großmutter habe ich immer noch gespielt, auch Karten und Scrabble. Sie bekam dann die Irrungen und Wirrungen mit den Mädchen mit. Sie riet mir – etwas altmodisch, sie wurde grausam verlegen, wenn ich sie nach Verhütung fragte. Es störte sie, dass ich so fordernde Mädchen hatte. ›Ist denn auch etwas Freundliches in der Beziehung, etwas Warmes?‹ Das ist ein Großmuttersatz, den ich nie vergesse. Als ich mich von meiner ersten Frau getrennt habe, sagte meine Großmutter: ›Sie ist sicher sehr interessant, gescheit und auch hübsch, aber zum Leben braucht man auch Wärme.‹ Insgeheim habe ich mich verstanden gefühlt von der Großmutter.«
     
    So kann der Beginn einer Rekonstruktion der Freudenbiografie aussehen. Sie kann dann ergänzt werden durch Erzählungen von Eltern, Geschwistern usw.; auch Fotos können weitere Erinnerungen wecken, Kinderbücher, die man besonders geliebt hat, alte Spielsachen, Zeichnungen, Träume usw.
    Zu einer Freudenbiografie gehören natürlich auch die aktuellen Freuden. Was löst aktuell Freude aus, gibt uns dieses beschwingte Gefühl der Leichtigkeit und der Wärme? Auch diese aktuellen Freuden können in der Vorstellung ›verlebendigt‹ werden. Oft ist es uns nämlich nicht bewusst, dass wir uns freuen. Denn wir nehmen die Qualität dieser Emotionen und dieser Gefühle zu wenig wahr. Die Gefühle von Angst und Wut etwa bleiben uns wesentlich präsenter – sie sind ja auch Emotionen angesichts einer Gefahr. Freude, freudiger Stolz aber lässt uns uns nur gut fühlen. Dass das auch lebenswichtig sein kann, vergessen wir zu leicht. Dem kann man mit einem Freudentagebuch begegnen. Oder sich während eines Spaziergangs an die Freuden der letzten vierzehn Tage zu erinnern – beharrlich, bringt auch einiges in Bewegung.
    Durch solche Rekonstruktion und vielleicht noch öfter durch die Konstruktion der Freudenbiografie kommt man in Kontakt zu sich selbst als auch freudigem Menschen. In der Erinnerung wird die Freude wieder belebt. Damit werden Situationen erneut lebendig, in denen man mit

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