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Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Titel: Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Kast
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jemand die Verantwortung für mich übernommen: die Eltern, vor allem der Vater, dann der Mann, jetzt ist er gestorben, und jetzt will der Sohn die Verantwortung übernehmen. Ich will aber selber noch einmal die Verantwortung für mein Leben haben.« Sie war etwas erschrocken über ihren Ausbruch, aber auch sehr überzeugt von dem, was da aus ihr heraus gebrochen war.
    Die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen – angesichts ihres Alters auch mit möglichen Einschränkungen – das war dann das Thema, über das wir während sechs Stunden miteinander gesprochen haben. Dann befand die alte Frau: »Danke, das ist jetzt gut. Das musste einfach noch sein. Und der Traum kommt jetzt ja nicht mehr.« (Das wusste sie mit großer Bestimmtheit.) Eine Autonomieentwicklung im hohen Alter wurde hier angestoßen. Das war der Frau ganz wichtig – sie wollte noch einmal »selber sagen, was gilt.«
    Wir übten zum Schluss wie man als 84-Jährige – und nicht in der Rolle des kleinen Mädchens – mit dem 60-jährigen Sohn spricht.

Der Anreiz zum Lebensrückblick
    Ein 86-jähriger Mann träumt: »Ich bin an der Universität. Im Hörsaal. Neben mir sitzt ein Kommilitone von damals, Hans Z. Wir diskutieren über die beste aller Welten von Leibniz. Hans ärgert sich über diesen Ausdruck, ich finde ihn ganz sinnvoll. Wir hören nicht, was der Professor erzählt, scheint auch nicht wichtig zu sein.
    Ich erwache aufgeregt und angeregt. Ich war im Traum jung – so jung, wie wir damals waren! Ich trug auch Kleider wie wir sie damals trugen! Knickerbocker! Und auf die waren wir damals sehr stolz!«
    Inhaltlich geht es bei diesem Traum um die Frage danach, ob wir wirklich in der besten aller Welten leben, wie Leibniz das meinte. Diese Frage stellt sich dem Träumer als eine Frage an sein gelebtes Leben. Es scheint für ihn nicht eindeutig zu sein, denn der Kommilitone, der einen anderen vertrauten Persönlichkeitszug in seiner Psyche verkörpert, ist vehement dagegen, ärgert sich. In Bezug auf die Aussage der besten aller Welten scheint der Träumer durchaus ambivalente Gefühle zu haben: Das Traum-Ich ist einverstanden: Besser geht es dann eben nicht, wenn man in der besten aller Welten lebt. Etwas in ihm ärgert sich aber über diese Aussage. Diese Ambivalenz beschäftigt ihn jedoch noch nicht. Der Träumer wundert sich und freut sich ungemein darüber, dass er im Traum noch einmal so jung sein kann wie damals.
     
    Und hier setzte sein Lebensrückblick ein: Was hat ihn damals an philosophischen Fragen beschäftigt? Wie war er überhaupt? Wie hat es sich angefühlt, so jung zu sein? Knickerbocker zu tragen?
    Diese Fragen beantwortete er sich anhand der Fragen, die ihn damals beschäftigten und die er zum Teil spontan erinnerte, zum Teil in die Erinnerung zurückholte, indem er seine alten Philosophiebücher mit seinen Anmerkungen von damals wieder anschaute. Und dann beschäftigte ihn aber doch der Ausspruch von Leibniz von der besten aller Welten: War die Welt, die er sich in seinem Leben geschaffen hatte, die bestmögliche für ihn gewesen? Den Ausspruch von Leibniz bezog er nun auf sein eigenes Leben: Sicher, es war bis jetzt das bestmögliche gewesen – sonst hätte er es verändert, meint er. Oder doch nicht ganz?
    Anhand der Randbemerkungen in seinen Büchern begegnete er sich selber als jungem Studenten. Etwas erstaunt stellte er fest, wie sehr genau er gewesen war, sich über Kommas am falschen Ort offenbar Gedanken gemacht hatte. Das, so fand er, hatte er glücklicherweise im Laufe des Lebens verloren. Imaginativ versetzte er sich in jene Zeit zurück und meinte zunächst, es sei eine wunderschöne Zeit gewesen. Er trifft sich mit Hans Z., sie erzählen sich, wie es damals war – sicher, die Energie, die Lebensfreude – aber die Problematik mit den »Mädchen« und mit der Sexualität; die Selbstzweifel, die sie überspielt hatten, aber auch die überschäumende Lebensfreude.
    Es war gut gewesen; aber jetzt war es auch gut, alt zu sein und zu spüren, wie viel Lebendigkeit in seinem Leben gewesen war, wie viel noch vorhanden war.

Die innere Mannschaft 48
    Wir können uns in Träumen in einem früheren Lebensalter sehen – wahrscheinlich auch in einem späteren, das ist nur schwieriger wahrzunehmen.
    Wir können uns aber auch imaginativ im Wachleben vorstellen, wie wir als Kind ausgesehen haben: was wir getragen haben, was uns wichtig war, wie die anderen wichtigen Menschen auf uns reagiert haben. Angesichts von

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