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Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)

Titel: Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Kast
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in der Regel an konkrete Vorstellungen und die stofflicheren Sehnsüchte zeigen sich als konkrete Wünsche. In diesem Begehren kommen uns unsere Entwicklungsmöglichkeiten entgegen, die wir dann in der äußeren Welt realisieren und die unser Leben verändern und bereichern und damit auch unsere Innenwelt. So schrieb ein Mann, für den es ein Grundbedürfnis und damit eine große Sehnsucht war, andere zu begeistern, Texte, obwohl das nun ganz und gar nicht zu seinem Beruf gehörte. Er begeisterte sich zuerst selbst an seinen Texten und nach und nach dann auch andere Menschen – und fast unversehens hatte er einen neuen Beruf.
    Die Sehnsucht gibt den Lebensthemen die imaginative Gestalt: Wonach sehnen wir uns? Was haben wir schon immer geopfert und bereuen es? Woran kann man diese Sehnsucht festmachen? Das leidenschaftliche Interesse an dem, woran sich unsere Sehnsucht festmacht, gibt Schub und bewirkt, dass die Lebensthemen im Laufe der Zeit konkret verwirklicht werden. Hoffnung und Begeisterung bewirken, dass die Lebensthemen auf das Bessere hin ausgerichtet bleiben, trotz Widerständen und Angst.
    Und auch die Orte der größten Niederlagen zeigen uns, was unabdingbar wichtig ist in unserem Leben: Scheitern wir im Zusammenhang mit unseren wichtigsten Anliegen an unser Leben, dann sind wir empfindlich, tut eine Niederlage weh.
    Der Mann, der begeistern wollte, stellte eines Tages fest, dass er selbst nicht mehr begeistert ist und andere auch nicht mehr so begeistert reagierten. Er wurde depressiv. Zu schmal war die Verwirklichung seines Lebensthemas angelegt.
    Können wir uns an unsere Sehnsüchte erinnern? Sind sie in den Tagebüchern formuliert? Als namenlose Sehnsucht – ich sehne mich nach etwas Unbenennbarem – oder sehr konkret: Wenn doch endlich der Prinz käme!
    Und was war, als einige Sehnsüchte erfüllt waren, man die Beziehung eingehen konnte, die man ersehnt hat: Das Auto kaufen konnte, das man sich so sehr gewünscht hat – und das nicht nur bloß ein Auto ist, sondern ein Symbol für ein Stück gelungenen Lebens? Vielleicht ist ein schales Gefühl zurückgeblieben – und es braucht eine neue Sehnsucht. Was war schwerer zu ertragen: die Sehnsüchte, die sich erfüllt haben oder die Sehnsüchte, die sich nicht erfüllt haben? Und: welche konkreten Wünsche haben wir noch?
    Eine 96-Jährige, die Hunderte von Kilometern vom Meer entfernt lebt, sagt: »Ich habe einen sehnsüchtigen Wunsch: Noch einmal im Meer schwimmen, bevor ich sterbe.« Sie weiß, dass das in der Realität eher eine schwierige Unternehmung werden würde, aber das Lebensgefühl von damals möchte sie noch einmal haben.
Was habe ich nicht alles geopfert
    Manchmal sind die Sehnsüchte, die die Hoffnung in einem Leben ausmachen, nicht leicht zu erschließen. Mit einer gewissen Bitterkeit erzählen Menschen dann, sie hätten eh »immer alle« Sehnsüchte opfern müssen. Vielleicht gelingt es, hinter dem Geopferten doch noch ursprüngliche Sehnsüchte zu finden?
    Da ist die 56-Jährige, die erzählt, dass sie als Älteste keine Möglichkeit hatte, aufs Gymnasium zu gehen – sie sollte Geld verdienen, damit ihre Brüder, die eigentlich weniger begabt waren, in die Schule gehen konnten. Eine tiefe Bitterkeit spricht aus der Frau. Die Sehnsucht: Sprachen studiert zu haben, als Journalistin in der Welt herumzukommen, interessante Menschen kennenzulernen, ein Hilfsprojekt aufzuziehen für Mädchen in Afrika, die keine Schule besuchen konnten …
    Warum hat sie nicht später eine Ausbildung nachgeholt? »Das habe ich mir nicht mehr zugetraut. Und dann habe ich einen Mann geheiratet, der dafür kein Verständnis gehabt hätte – und dann kamen die Kinder. Und die hatten nun alle Möglichkeiten gehabt – und sie haben sie nur teilweise genutzt!«
    Durch das Erzählen erinnert sie sich an diese Sehnsüchte – und sie stellt auch fest, dass sie gehofft hat, dass ihre Kinder diese Sehnsüchte erfüllen. Kann sie selbst sich noch etwas davon erfüllen?
     
    Ein 62-Jähriger, der mit einer Ideologie aufgewachsen ist, dass Sexualität nur in der Ehe gelebt werden dürfe und dort besonders befriedigend sei, erzählt, er sei mit 28 Jahren noch als »Jungfrau« in die Ehe gegangen. Der Lohn für die Enthaltsamkeit sei ausgeblieben, die Sexualität sei nie gut gewesen. Und er habe immer bedauert, dass er als junger Mann seine sexuellen Wünsche nicht ausgelebt habe. Er erinnert sich daran, dass er mit neunzehn Jahren einmal ein junges Mädchen kennen

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