Wasdunkelbleibt
finden, die von der Straße runterführt. Der Mann mit dem Husky hat ebenfalls deutliche Spuren hinterlassen, kam aber von der anderen Seite. Sein Hund hat Alarm geschlagen. Sonst hätte er die Leiche im Wasser überhaupt nicht gesehen.«
»Geht ein Toter nicht unter?«, fragte ich interessiert.
»Die Leiche hat sich am Ufer verfangen. Da waren allerhand Treibholz und ein großer Plastiksack, der den Körper wie eine Rettungsweste an der Oberfläche gehalten hat.«
»Was macht ein Jugendlicher bei diesem verdammten Wetter am Wörthsee? Im Dunkeln? Vermutlich allein?«
»Gute Frage, Nero.« Jassmund hielt mir hilfesuchend sein leeres Bierglas hin. »Wahrscheinlich geht es um Drogen. Das Screening wird zeigen, ob er ein Junkie war.«
»Drogenübergabe am Wörthsee? Sonderbar.« Nero schüttelte den Kopf. »Wenn ich mich recht erinnere, haben die Jungs andere Möglichkeiten.«
»Die Supermarktparkplätze haben in den letzten Monaten fast alle eine Videoüberwachung gekriegt. Schlecht für die Junkies. Sie scheuen das Licht.«
»Hat sich der Junge mit jemandem getroffen?«
»Das können wir bislang nicht rekonstruieren. Stellt euch vor: Der Vater des Toten ist der Apotheker von Ohlkirchen.«
Meine Hand, die Jassmund das Bier einschenkte, fing an zu zittern. Ich stellte die Flasche auf den Tisch und sagte: »Ich muss mal kurz für kleine Mädchen.«
18
Der Anruf kam auf rekinoms Handy an, und das war der erste große Fehler.
»Er ist tot!«
»Was heißt das, er ist tot!«
»Er ist in den See gefallen und ertrunken.«
rekinom hielt das Handy von sich weg. Das konnte nicht sein. So etwas gab es nicht. »Was hast du gemacht?«, fragte er schwach.
»Nichts.«
»Und das Geld?«
»Das habe ich ihm nicht geben können. Er hat mich nicht mal gesehen, glaub ich. Ist einfach in den See geplumpst wie ein Sack Müll.«
rekinom ahnte, dass dies der erste Akt einer Katastrophe war. Die Dinge, die er angestoßen hatte, liefen aus dem Ruder. Er hörte, wie sie in der Küche die Eiswürfel klirren ließ. »Ruf nicht mehr an!«
»Möchtest du einen Drink?« Sie kam zu ihm herüber.
»Jetzt nicht, Schatz. Es gibt ein Problem auf der Arbeit. Ich muss noch mal weg.«
Ihre Enttäuschung konnte ihm gefährlich werden, aber für den Moment musste er Ruhe zum Nachdenken haben. Er schnappte sich sein Notebook und stieg ins Auto. Die Nacht war kalt und unwirtlich. Es schneite leicht, zwischendurch regnete es. Die Straßen spiegelten die Scheinwerfer seines Wagens. Er kniff die Augen zusammen. Am liebsten fuhr er über die Autobahn. Richtig schnell. Er raste Richtung Deggendorf. Am Flughafen vorbei. Er könnte abhauen.
Doch dazu gab es keinen Grund. Niemand würde ihn in Verbindung bringen mit dem toten Bastian Hut. Verflucht, wie konnte der Junge sterben? Dass er tot war, ging rekinom weniger nahe als die Frage, warum er plötzlich gestorben war. Es gab nur eine wahrscheinliche Lösung: Die Geldübergabe war geplatzt, und sein Mann hatte irgendwas vermurkst. Nun versuchte er, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er behauptete, der Junge sei gestorben. Verdammt, mit 18 starb man nicht einfach so!
Es hatte einer ausgebufften Strategie bedurft, das Geld bereitzustellen, ohne dass jemand es mit ihm in Verbindung brachte. Er hatte im letzten Sommer ziemlich viel Bargeld mit auf eine Reise nach Tunesien genommen. Allerdings hatte er nicht annähernd so viel benötigt und die Summe nach seiner Rückkehr einfach nicht mehr eingezahlt. Er hob in den vergangenen Wochen jeweils 100 Euro mehr vom Konto ab als üblich; einfach mit seinen regelmäßigen Besuchen beim Geldautomaten. Niemand würde Verdacht schöpfen.
Nun musste er mit x 03 zu Potte kommen.
rekinom nahm die Ausfahrt nach Landshut, bog ab und bretterte die gleiche Strecke zurück.
19
Ich hatte weder Nero noch Jassmund etwas gesagt. Bastian Hut, mein Auftraggeber, war im Wörthsee ertrunken. Ich saß im Arbeitszimmer, starrte auf meine Unterlagen, auf Bastians handgeschriebenes Kassiber. Drei Uhr nachts. Nero schlief den Schlaf des Gerechten. Sollte er. Ich musste nachdenken.
Nur hatte ich keine Ahnung, in welche Richtung ich meine Gedanken lenken sollte. Jassmund konnte das Screening vergessen. Bastian war kein Junkie. Entweder war er in den See gestürzt und einfach ertrunken. Unwahrscheinlich. Jemand hatte ihn gestoßen – eher vorstellbar. Dann musste es jemand sein, den er erwartete, den er treffen wollte. Warum sonst sollte er seinen
Weitere Kostenlose Bücher