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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unangepasste Typen. Sie haben ihre eigenen Maßstäbe. Legt mich nicht darauf fest, aber dass ein Hacker ein Buch schreibt, um Warnungen auszusprechen … das klingt in meinen Ohren zu besserwisserisch.«
    »Eine Menge Hacker haben Bücher über ihre Exploits veröffentlicht«, wandte ich ein. Ich hatte recherchiert.
    »Das schon. Aber dann vielleicht eher mit dem Hintergedanken zu zeigen, wie gewieft sie sind. Selbst wenn sie irgendwann auffliegen.«
    »Bastian wurde verurteilt«, sagte Juliane. »Kann sein, dass die Strafe ihn zum Umdenken gebracht hat.«
    »Ich sage dir was.« Cyn nahm eine Fernbedienung zur Hand und schaltete Musik ein. Von irgendwo im Raum legte eine Reibeisenstimme los. »Cat Power. You are free. Kennt ihr das Album?«
    »Sie kann nicht singen«, stellte ich fest.
    »So ist die Welt. Du kannst nicht singen, nimmst ein Album auf und wirst berühmt. Eine Menge Dinge, die nach Lehrbuch unerwartbar sind, passieren doch!«
    »Danke für die Belehrung.«
    »Gern geschehen!« Cyn lachte laut auf. »Wir Hacker sind auch so. Wir sind Außenseiter. Wir machen das Unwahrscheinliche real. Wir leben nach unseren eigenen Maßstäben. Die meisten von uns passen nicht in einen handelsüblichen Job. Ich zum Beispiel arbeite meine Aufträge ab, wann immer ich Lust dazu habe. Nachts, früh morgens, sonntags. Egal. Hauptsache, ich lebe.«
    »Hast du illegale Sachen gemacht?«
    »Früher ja.« Cyn nickte bedeutungsschwer. »Aber das war mir zu stressig. Also, um auf Dauer ein Leben darauf aufzubauen, meine ich. Ich bin eher ein untypischer Fall. Aber ich habe so angefangen wie Dv 0 ttny.«
    »Nehmen Hacker Geld?«, fragte Juliane.
    »Den Hacker reizt die Herausforderung. Nicht die Kohle.«
    »Ein Hacker lässt sich auf eine große Sache ein, weil er ohne den Nervenkitzel nicht auskommt?«, wollte ich wissen.
    »Weniger. Der Hacker will über die Brandmauer gelangen. Oder durch sie hindurch. Oder um sie herum. Der Gedanke, dass du irgendwo vielleicht reinkommen könntest, wenn du es nur clever genug anstellst, ist wie eine Initialzündung. Du weißt, du darfst nicht, aber du probierst es einfach.«
    »Keine Läuterung möglich?«, fragte ich.
    »Möglich vielleicht. Theoretisch.« Cyn kicherte. »Aber nicht nötig. So rum wird ein Schuh draus.«
    »Hältst du Bastians Geschichte, wie er angeworben wurde, für plausibel?« Juliane kickte ihre Doc Martens weg und zog die Füße unter den Po.
    »Auf alle Fälle.« Cyn sah aus dem Fenster. Es wurde dunkel. Der Winter griff nach dem Dorf. Die Nacht kam schnell; als hielte jemand eine Hand vor ein Kameraauge. Der Film wurde schwarz. »Hacker sind in der Regel auf Anerkennung aus.«
    »Und du?« Cyn machte mich aggressiv, ohne dass ich wusste, weshalb.
    »Für mich ist das Honorar eine Anerkennung.«
    »Wie erlebt ein Hacker seine Verurteilung?«, fragte Juliane.
    »Traumatisch. Sie hat es dir nicht erzählt, oder?« Cyn sah mich von der Seite an. »Ich habe es ins Kanzleramt geschafft. Weil ich erst 15 war, behandelte der Richter mich großzügig. Ich habe Stein und Bein geschworen, es nie mehr zu tun.«
    »Aber du konntest dein Versprechen nicht halten«, sagte Juliane.
    »Heute ist Hacking mein Beruf und legal. Ich tue es im Auftrag der Firmen selbst. Da wird ein Vertrag abgeschlossen, in dem alle Eventualitäten geklärt sind. Es gibt sogar eine Möglichkeit für die Auftraggeber, das Hacking abzubrechen, wenn sie bemerken, dass ich zuviel aufschnappe und dabei ihre Geschäfte in Gefahr bringe.«
    »Sag uns einfach, welche Bausteine von Bastians Geschichte dir unglaubwürdig vorkommen«, bat ich.
    »Das unplausibelste«, sagte Cyn, »ist sein Tod.«
    »Er wurde nicht umgebracht. Er hatte ein Aneurysma. Wusste wahrscheinlich zeit seines Lebens nichts davon. Es hat ihn einfach erwischt. Der leitende Ermittler der Mordkommission hat es mir bestätigt.« Warum nur beruhigte mich der Gedanke eines Todes, der aus dem Nichts zuschlug?
    »Dv 0 ttny hing da am See rum. Wieso nur?« Cyn sah mich an und schüttelte den Kopf. »Um sich mit seiner Freundin zu treffen? Der Knabe war volljährig. Die haben andere Möglichkeiten.«
    »Du meinst, er kam dorthin, um Geld zu kassieren?«
    »Genau. Wenn wir davon ausgehen, dass sein Besuch am See im Kontext des Hackings stand. Aber er hat sich wohl nicht mit allzu vielen anderen Dingen beschäftigt. Das tut keiner von uns. Wir haben nur dieses eine Interesse im Leben.« Sie grinste. »Kohle kannst du nicht übers Internet schicken.

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