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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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letzten Mal Abschied voneinander nehmen!« drängte seine Begleiterin, in deren Phantasie die Vorstellung von endgültigen Abschieden einen Platz einnahm, der an Erhabenheit nur hinter dem erster Begegnungen zurückstand.

|224| 29. KAPITEL
    Morris kam wieder, ohne den endgültigen Abschied zu schaffen; wieder und immer wieder, ohne feststellen zu können, daß Mrs. Penniman bis jetzt viel dazu beigetragen hatte, den Pfad des Rückzugs mit Blumen zu bedecken. Es war verdammt unangenehm, wie er sagte, und er empfand eine heftige Abneigung gegenüber Catherines Tante, die ihn, wie er jetzt schon zu sagen gewohnt war, in den ganzen Mist hineingezogen hatte und aus reiner Nächstenliebe verpflichtet war, ihm wieder herauszuhelfen. Mrs. Penniman hatte, um die Wahrheit zu sagen, in der Zurückgezogenheit ihres Gemachs – und, so könnte ich hinzufügen, mitten in der Einflußsphäre von Catherines Zimmer, das in jenen Tagen das Aussehen desjenigen einer jungen Dame hatte, die ihre Aussteuer zurechtlegt – Mrs. Penniman also hatte ihre Verantwortung genau durchdacht und war vor deren Ausmaß erschrocken. Die Aufgabe, Catherine vorzubereiten und Morris von ihr loszubekommen, wies Schwierigkeiten auf, die mit der Ausführung zunahmen und die impulsive Lavinia sogar zu der Frage bewogen, ob die Abweichung vom ursprünglichen Vorhaben des jungen Mannes ein glücklicher Gedanke von ihm gewesen sei. Eine glanzvolle Zukunft, eine größer angelegte Laufbahn, ein Gewissen, das von dem Vorwurf frei war, sich zwischen eine junge Dame und ihre naturgegebenen Anrechte gestellt zu haben – all dies Vortreffliche konnte womöglich mit zu vielen Unannehmlichkeiten erkauft werden. |225| Von Catherine erhielt Mrs. Penniman keinerlei Beistand; das arme Mädchen befürchtete offensichtlich keine Gefahr. Catherine sah ihren Liebhaber mit Augen unverminderten Vertrauens an, und obgleich sie ihrer Tante weniger Zutrauen entgegenbrachte als einem jungen Mann, mit dem sie so viele zärtliche Treuegelöbnisse ausgetauscht hatte, gab sie ihr keine Gelegenheit zu Erklärungen oder Geständnissen. Mrs. Penniman, zaudernd und unentschlossen wie sie war, behauptete, Catherine sei sehr beschränkt, schob die große Szene, wie sie es genannt hätte, von Tag zu Tag hinaus und wandelte mit höchst unbehaglichem Gefühl umher, die ungezündete Bombe in Händen. Morris’ eigene Auftritte waren im Augenblick denkbar unbedeutend; doch selbst sie überstiegen seine Kräfte. Er beschränkte sich auf möglichst kurze Besuche, und während er bei seiner Geliebten saß, wußte er nur schrecklich wenig zu sagen. Sie wartete darauf, daß er, wie man zu sagen pflegt, den Tag festlege; und solange er nicht in der Lage war, sich zu diesem Punkt eindeutig zu äußern, war es wie ein Hohn, sich über allgemeine Dinge zu unterhalten. Sie verstand sich nicht auf Verschlagenheit und Verstellungskünste; nie versuchte sie, ihre freudige Erwartung zu verhehlen. Sie wartete darauf, wann es ihm beliebte, und sie würde weiterhin bescheiden und geduldig warten; sein Zögern jetzt, wo es höchste Zeit war, mochte merkwürdig erscheinen, aber er mußte sicher einen Grund dafür haben. Catherine hätte eine Ehefrau der sanften, alten Art vorgestellt – die Begründungen als Vergünstigungen und unverhoffte Glücksfälle ansieht, sie aber ebensowenig jeden Tag erwartet wie einen Kamelienstrauß. Während ihrer Verlobungszeit aber rechnet selbst eine junge Dame von bescheidensten Ansprüchen mit mehr Buketts als |226| zu anderen Zeiten; und gegenwärtig fehlte es der Atmosphäre an diesem Duft, was schließlich bei Catherine Befürchtungen hervorrief.
    »Ist dir nicht gut?« fragte sie Morris. »Du wirkst so unruhig und siehst so blaß aus.«
    »Es geht mir gar nicht gut«, sagte Morris; und es kam ihm in den Sinn, daß er vielleicht loskäme, wenn er nur ihr Mitleid hinreichend erregen könnte.
    »Ich fürchte, du hast dich überanstrengt; du solltest nicht so viel arbeiten.«
    »Ich muß das tun.« Und mit einer Art wohlberechneter Schonungslosigkeit setzte er dann hinzu: »Ich möchte nicht alles dir verdanken.«
    »Oh, wie kannst du das nur sagen?«
    »Ich bin zu stolz«, sagte Morris.
    »Ja, du bist allzu stolz!«
    »Nun, du mußt mich so nehmen, wie ich bin«, fuhr er fort. »Du kannst mich niemals ändern.«
    »Ich möchte dich gar nicht ändern«, sagte sie sanft. »Ich will dich nehmen, wie du bist.« Und sie stand da und sah ihn an.
    »Du weißt, welch schreckliches

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