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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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Gerede die Leute machen, wenn ein Mann ein reiches Mädchen heiratet«, stellte Morris fest. »Es ist maßlos unangenehm.«
    »Aber ich bin doch gar nicht reich«, erwiderte Catherine.
    »Du bist reich genug, daß man über mich redet.«
    »Natürlich redet man über dich. Das ist eine Ehre.«
    »Es ist eine Ehre, auf die ich gut verzichten könnte.«
    Sie war im Begriff, ihn zu fragen, ob es denn nicht einen Ausgleich für diesen Verdruß bedeute, daß das arme Mädchen, das ihm unglücklicherweise diesen Verdruß zugezogen habe, ihn so sehr liebe und ihm so aufrichtig |227| vertraue; aber sie zögerte, weil sie dachte, das sei vielleicht eine Äußerung, die zuviel verlange, und während sie noch zauderte, verließ er sie unvermittelt.
    Als er das nächste Mal kam, brachte sie es jedoch vor, und aufs neue sagte sie ihm, er sei zu stolz. Und er wiederholte, daß er sich nicht ändern könne, und dieses Mal fühlte sie sich veranlaßt zu sagen, wenn er sich nur etwas bemühe, könne er sich ändern.
    Manchmal dachte er, wenn er nur einen Streit mit ihr anfangen könne, würde ihm das womöglich helfen; aber die Frage war, wie man sich mit einer jungen Frau, die einen solchen Vorrat an Entgegenkommen besaß, überhaupt streiten konnte. »Ich habe den Eindruck, du denkst, die Bemühungen seien ganz deine Sache«, brach er aus. »Glaubst du nicht, daß ich mich auch bemühen muß?«
    »Es liegt jetzt völlig bei dir«, sagte sie. »Meine Bemühungen sind zu Ende und abgeschlossen.«
    »Nun, meine nicht.«
    »Wir müssen alles gemeinsam tragen«, sagte Catherine. »Das sollten wir doch tun.«
    Morris versuchte, ein natürlich wirkendes Lächeln hervorzubringen. »Es gibt einiges, was wir nicht gut miteinander tragen können – zum Beispiel Trennung.«
    »Warum sprichst du von Trennung?«
    »Ach, das magst du nicht; das wußte ich doch.«
    »Wohin gehst du, Morris?« fragte sie unvermittelt.
    Er heftete einen Moment den Blick auf sie, und für einen Bruchteil dieses Moments hatte sie Angst davor. »Versprichst du mir, keine Szene zu machen?«
    »Eine Szene – mache ich vielleicht Szenen?«
    »Alle Frauen tun das!« sagte Morris im Ton reicher Erfahrung.
    |228| »Ich nicht. Wohin gehst du denn?«
    »Fändest du es sehr eigenartig, wenn ich sagen würde, daß ich Geschäfte halber fortfahre?«
    Sie überlegte einen Moment, während sie ihn ansah. »Ja – nein. Nicht, wenn du mich mitnimmst.«
    »Dich mitnehmen – zu geschäftlichen Sachen?«
    »Um was geht es denn bei deinen geschäftlichen Sachen? Deine Sache ist es, bei mir zu sein.«
    »Aber bei dir verdiene ich meinen Lebensunterhalt nicht«, sagte Morris. »Oder vielmehr«, rief er in einer unvermittelten Eingebung, »gerade das tue ich – oder immerhin tue ich das nach Ansicht der Menschen!«
    Das hätte womöglich ein gewaltiger Schlag sein sollen, doch er ging fehl. Catherine wiederholte einfach: »Wohin gehst du?«
    »Nach New Orleans – um Baumwolle zu kaufen.«
    »Ich bin durchaus bereit, nach New Orleans zu fahren«, sagte Catherine.
    »Glaubst du vielleicht, ich würde dich in eine Brutstätte des Gelbfiebers mitnehmen?« rief Morris. »Glaubst du, ich würde dich dem gerade jetzt aussetzen?«
    »Warum fährst du, wenn dort Gelbfieber herrscht? Morris, du darfst nicht fahren.«
    »Es geht darum, sechstausend Dollar zu verdienen«, sagte Morris. »Gönnst du mir diese Genugtuung nicht?«
    »Wir brauchen doch keine sechstausend Dollar. Du denkst zuviel an Geld.«
    »Du kannst es dir erlauben, das zu sagen. Es handelt sich um eine hervorragende Gelegenheit; gestern abend haben wir davon erfahren.« Und er erläuterte ihr, worin diese Gelegenheit bestand; er erzählte eine lange Geschichte über das beachtliche Geschäftsunternehmen, das er und sein Partner miteinander geplant hatten, und ging |229| dabei verschiedene Einzelheiten mehrmals durch. Aber Catherines Phantasie weigerte sich aus Gründen, die sie selbst am besten kannte, durchaus dagegen, sich anheizen zu lassen. »Wenn du nach New Orleans fahren kannst, dann kann ich das auch«, sagte sie. »Warum solltest du nicht genauso leicht wie ich das Gelbfieber kriegen? Ich bin ebenso kräftig wie du und habe nicht im geringsten Angst vor irgendeinem Fieber. Als wir in Europa waren, kamen wir auch in sehr ungesunde Gegenden; mein Vater ließ mich dann gewöhnlich Tabletten einnehmen. Ich habe mir nie etwas geholt und war niemals ängstlich. Was nützen schon sechstausend Dollar, wenn du an einem Fieber

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