Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
ich Scharren und Klopfen. Ich will hinsehen,
aber Walter hält mein Kinn fest. »Camel, was zum Teufel hast du vor?«, schimpft
er. Sein Atem schlägt mir heiß ins Gesicht.
»Ich will sehen, ob es Jacob gut geht.«
»Um Himmels willen«, sagt Walter. »Bleib einfach, wo du bist, okay?
Es kann gut sein, dass wir gleich Besuch bekommen. Auch wenn die hinter Jacob
her sind, glaub ja nicht, dass sie dich nicht auch mitnehmen.«
Nachdem Walter meine Schnitte gesäubert und mir das Glas aus den
Haaren geklaubt hat, krieche ich zu meiner Schlafmatte und versuche, eine
angenehme Lage für meinen Kopf zu finden, der vorne wie hinten zerschlagen ist.
Mein rechtes Auge ist vollständig zugeschwollen. Queenie sieht nach mir. Sie
schnuppert zögerlich, dann legt sie sich ein Stückchen entfernt hin und beäugt
mich.
Walter stellt den Krug zurück und kramt etwas vom Boden der Truhe
hervor. Als er sich wieder aufrichtet, hält er ein großes Messer in der Hand.
Er schließt die Innentür und verrammelt sie mit einem Holzklotz.
Dann lehnt er sich mit dem Rücken an die Wand, das Messer direkt neben sich.
Einige Zeit später hören wir das Klappern von Pferdehufen auf der
Rampe. Pete, Otis und Diamond Joe unterhalten sich im anderen Teil des Wagens
im Flüsterton, aber niemand klopft, und niemand versucht, die Tür zu öffnen.
Nach einer Weile hören wir, wie sie die Rampe abbauen und die Wagentür
schließen.
Als der Zug endlich losfährt, atmet Walter hörbar auf. Ich blicke zu
ihm hinüber. Er lässt den Kopf zwischen die Knie hängen und verharrt kurz so.
Dann steht er auf und steckt das große Messer wieder hinter die Truhe.
»Du bist echt ein Glückspilz«, sagt er, als er den Holzklotz
herauszerrt. Er stellt die Tür auf und geht zu den Truhen, hinten denen Camel
liegt.
»Ich?« Der Selbstgebrannte hat mich benommen gemacht.
»Ja, du. Noch jedenfalls.«
Walter zieht die Truhen von der Wand ab und holt Camel hervor. Dann
schleppt er den alten Mann in den anderen Teil des Wagens, um die abendliche
Waschung vorzunehmen.
Vollkommen entkräftet durch die Mischung aus Verletzungen und
Selbstgebranntem döse ich vor mich hin.
Ich bekomme vage mit, wie Walter Camel beim Abendessen hilft. Ich
weiß auch, dass ich mich irgendwann aufrichte, um einen Schluck Wasser zu
trinken, und dann kraftlos auf die Schlafmatte zurücksinke. Als ich das nächste
Mal zu mir komme, liegt Camel schnarchend auf der Pritsche und Walter sitzt auf
der Pferdedecke in der Ecke, neben sich die Lampe und auf dem Schoß ein Buch.
Ich höre Tritte auf dem Dach, gefolgt von einem dumpfen Geräusch vor
unserer Tür. Mit einem Ruck bin ich hellwach.
Walter krabbelt seitwärts über den Boden und schnappt sich das
Messer hinter der Truhe. Dann stellt er sich, das Messer fest umklammert, neben
die Tür. Er winkt mich zur Lampe hinüber. Ich hechte quer durch das Zimmer,
allerdings nicht weit genug, weil ich mit dem zugeschwollenen Auge nicht
räumlich sehen kann.
Die Tür schwingt knarrend nach innen auf. Walters Messerhand öffnet
und schließt sich.
»Jacob?«
»Marlena!«, rufe ich.
»Gottverdammt!« schreit Walter. Er lässt das Messer fallen. »Ich
hätte Sie fast umgebracht.« Er klammert sich an die Türkante. Sein Kopf zuckt
hin und her, als er versucht, an ihr vorbeizusehen. »Sind Sie allein?«
»Ja«, antwortet sie. »Es tut mir leid. Ich muss mit Jacob reden.«
Walter zieht die Tür etwas weiter auf. Dann macht er ein langes
Gesicht. »Ach herrje. Kommen Sie lieber rein.«
Als sie eintritt, halte ich die Kerosinlampe hoch. Ihr linkes Auge
ist zu einem dicken Veilchen angeschwollen.
»Großer Gott!«, entfährt es mir. »Hat er dir das angetan?«
»Um Himmels willen, wie siehst du bloß aus«, sagt sie und streckt
die Hand aus. Mit den Fingerspitzen berührt sie beinahe mein Gesicht. »Du musst
zu einem Arzt.«
»Mir geht es gut«, sage ich.
»Wer zum Henker ist das?«, fragt Camel. »Haben wir Damenbesuch? Ich
kann gar nichts sehen. Dreh mich doch mal einer um.«
»Entschuldigung«, sagt Marlena, die sich beim Anblick des
ausgemergelten Körpers auf der Pritsche erschreckt. »Ich dachte, hier wärt nur
ihr zwei … Es tut mir so leid. Ich gehe wieder zurück.«
»Nein, tu das nicht«, sage ich.
»Ich meinte nicht, zurück zu … ihm.«
»Ich will nicht, dass du auf dem fahrenden Zug herumkletterst, und
schon gar nicht, dass du von einem Wagen zum anderen springst.«
»Da hat Jacob recht«, sagt Walter. »Wir gehen rüber zu
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