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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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aber in der Mitte wird er durch einen Vorhang geteilt. Die
Tische auf dieser Seite sind mit rot-weiß karierten Tischdecken, Besteck und
Blumenvasen dekoriert. Sie bilden einen krassen Gegensatz zu den verdreckten
Männern, die am warmen Buffet anstehen.
    »Mein Gott«, sage ich zu Charlie, als wir unseren Platz in der Reihe
einnehmen. »Was für eine Auswahl!«
    Es gibt Kartoffelpuffer, Würstchen und übervolle Körbe mit dick
geschnittenem Brot. Dazu Schinkenaufschnitt, Eier in allen möglichen Varianten,
Töpfchen mit Marmelade und Schalen voller Orangen.
    »Das ist noch gar nichts«, sagt er. »Bei Big Bertha gibt’s zu dem
Ganzen hier sogar Kellner. Du sitzt einfach an deinem Tisch, und sie bringen
dir alles.«
    »Big Bertha?«
    »Ringling.«
    »Hast du mal da gearbeitet?«
    »Ähm … nein«, antwortet er verlegen. »Aber ich kenne welche, die da
waren.«
    Ich schnappe mir einen Teller und schaufle ihn mit Kartoffeln, Eiern
und Würstchen voll. Ich versuche, nicht allzu verhungert auszusehen. Der Duft
ist überwältigend. Ich öffne den Mund und atme tief ein – das ist wie
himmlisches Manna. Das ist himmlisches Manna.
    Camel taucht wie aus dem Nichts auf. »Hier. Gib das dem Burschen da
vorn, am Ende der Schlange«, sagt er und drückt mir eine Karte in die freie
Hand.
    Der Mann am Ende der Schlange sitzt auf einem Klappstuhl und starrt
unter der Krempe eines verbeulten Filzhutes hervor. Ich halte ihm meine Karte
hin. Er sieht zu mir hoch, die Arme resolut vor der Brust verschränkt.
    »Abteilung?«, fragt er.
    »Wie bitte?«
    »Zu welcher Abteilung gehörst du?«
    »Ähm … ich weiß nicht genau.«, sagte ich. »Ich hab den ganzen Morgen
lang Pferdewagen ausgemistet.«
    »Das hilft mir nicht weiter«, sagt er und ignoriert weiterhin meine
Karte. »Dressurpferde, Arbeitspferde oder Menagerie? Was denn nun?«
    Ich antworte nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Camel
mindestens zwei davon erwähnt hat, aber ich kann mich nicht genau erinnern.
    »Wenn du nicht weißt, wie deine Abteilung heißt, bist du auch nicht
bei der Show«, sagt der Mann. »Also was zum Teufel hast du hier zu suchen?«
    »Alles in Ordnung, Ezra?«, fragt Camel, der von hinten auf uns
zukommt.
    »Ganz und gar nicht. Ich hab hier einen oberschlauen Gadjo, der von
der Show ein Frühstück ergaunern will«, antwortet Ezra und spuckt auf den
Boden.
    »Das ist kein Gadjo«, sagt Camel. »Er ist ein Frischling, und er
gehört zu mir.«
    »Ach ja?«
    »Ach ja.«
    Der Mann schnippt seine Hutkrempe nach oben und begutachtet mich vom
Scheitel bis zur Sohle. Nach einem Moment sagt er: »In Ordnung, Camel. Wenn du
für ihn bürgst, soll mir das reichen.« Seine Hand schießt vor und schnappt sich
meine Karte. »Und noch was. Bring ihm bei, wie man redet, bevor ihn einer
windelweich prügelt, klar?«
    »Zu welcher Abteilung gehöre ich denn nun?«, frage ich, als ich auf
einen der Tische zusteuere.
    »Oh, nein, das lässt du schön bleiben.« Camel packt mich am
Ellbogen. »Die Tische da sind nicht für unsereins. Halt dich lieber an mich,
bis du dich hier auskennst.«
    Ich folge ihm um den Vorhang herum. Die Tische auf der anderen Seite
stehen direkt aneinander, ihr nacktes Holz ist nur mit Salz- und
Pfefferstreuern dekoriert. Hier gibt es keine Blumen.
    »Wer sitzt auf der anderen Seite? Die Artisten?«
    Camel wirft mir einen Blick zu. »Meine Güte, Kleiner. Halt einfach
die Klappe, bis du unsere Sprache kannst, ja?«
    Er setzt sich und schiebt sich sofort eine halbe Scheibe Brot in den
Mund. Er kaute lange darauf herum, bevor er mich ansieht. »Ach komm schon, sei
nicht sauer. Ich pass doch nur auf dich auf. Du hast ja gesehen, wie Ezra war,
und Ezra ist noch harmlos. Setz dich schon hin.«
    Nach kurzem Zögern steige ich über die Bank und stelle den Teller
ab. Ich begutachte meine pferdemistigen Hände, wische sie mir an der Hose ab
und stürze mich, obwohl sie nicht sauberer sind als vorher, auf mein Essen.
    »Wie ist das nun mit unserer Sprache ?«,
frage ich schließlich.
    »Sie heißen Gaukler«, sagt Camel mit vollem Mund. »Und du bist in
der Abteilung Arbeitspferde. Vorerst.«
    »Und wo stecken diese Gaukler?«
    »Die müssen jeden Moment ankommen. Zwei Zugabschnitte fehlen noch.
Sie bleiben lange auf, schlafen lange und kommen pünktlich zum Frühstück an.
Und wo wir gerade dabei sind, nenn sie bloß nicht Gaukler, wenn sie in der Nähe
sind.«
    »Wie soll ich sie denn nennen?«
    »Artisten.«
    »Wieso kann ich sie dann nicht immer

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