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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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Artisten nennen?« Leiser Ärger
schleicht sich in meine Stimme.
    »Es gibt die und es gibt uns, und du gehörst zu uns«, sagt Camel.
»Egal. Das lernst du schon.« In der Ferne pfeift ein Zug. »Wenn man vom Teufel
spricht.«
    »Ist Onkel Al bei ihnen?«
    »Ja, aber komm nicht auf dumme Gedanken. Wir gehen ihm erst mal aus
dem Weg. Wenn wir noch aufbauen, ist er so reizbar wie ein Bär mit Zahnschmerzen.
Sag mal, wie kommst du mit Joe zurecht? Hast du schon genug von der
Pferdescheiße?«
    »Die macht mir nichts.«
    »Na, ich halte dich für was Besseres. Ich hab mit einem Freund
gesprochen«, sagt Camel, drückt ein weiteres Stück Brot zusammen und wischt
damit das Fett vom Teller auf. »Bleib den restlichen Tag bei ihm, dann legt er
ein gutes Wort für dich ein.«
    »Was soll ich machen?«
    »Alles, was er sagt. Das ist mein voller Ernst.« Er zieht eine
Augenbraue hoch, um seine Aussage zu unterstreichen.
    Camels Freund ist ein kleiner Mann mit großem Schmerbauch und
dröhnender Stimme. Er heißt Cecil und arbeitet als Anreißer in der
Kuriositätenschau. Nachdem er mich taxiert hat, erklärt er, ich sei für die
anstehende Aufgabe brauchbar. Ich soll mich zusammen mit Jimmy und Wade – zwei
weiteren Männern, die für ausreichend vorzeigbar erachtet werden, um sich unter
die Städter zu mischen – am Rand der Menge positionieren und sie auf ein Signal
hin nach vorne Richtung Eingang drängen.
    Die Kuriositätenschau geht von der Budengasse ab, auf der emsig
gearbeitet wird. Auf einer Seite müht sich eine Gruppe Schwarzer mit den
Werbebannern für die Kuriositätenschau ab. Ihnen gegenüber hört man Klirren und
die Rufe von weißen Männern, die in ihren weißen Jacken ein Limonadenglas ums
andere auf den Theken ihrer rot-weiß-gestreiften Verkaufsstände zu Pyramiden
auftürmen. In der Luft hängt der Duft von frischem Popcorn und gerösteten
Erdnüssen über einem kräftigen Tiergeruch.
    Am Ende der Budengasse, hinter dem Kartenschalter, steht ein
riesiges Zelt, in das alle möglichen Tiere gekarrt werden – Lamas, Kamele,
Zebras, Affen, wenigstens ein Eisbär und eine ganze Reihe von Raubtierkäfigen.
    Cecil und einer der schwarzen Männer hantieren mit einem Banner
herum, auf dem eine ungemein dicke Frau abgebildet ist. Im nächsten Augenblick
verpasst Cecil dem anderen Mann eine Kopfnuss. »Nun mach schon, Junge! In einer
Minute ist hier alles voller Gadjos. Wie sollen wir sie zu uns kriegen, wenn
sie unsere prächtige Lucinda nicht sehen können?«
    Eine Pfeife schrillt, und alle erstarren.
    »Türen!«, dröhnt eine Männerstimme.
    Dann bricht die Hölle los. Die Männer an den Verkaufsständen hasten
hinter ihre Theken, legen letzte Hand an ihre Ware und richten ihre Jacken und
Mützen. Bis auf die arme Seele, die sich immer noch mit Lucindas Banner abmüht,
schlüpfen alle Schwarzen durch die Zeltwand außer Sichtweite.
    »Häng das gottverdammte Banner auf und scher dich raus!«, schreit
Cecil. Nach einem letzten Handgriff verschwindet der Mann.
    Ich drehe mich um. Eine Wand aus Menschen treibt auf uns zu,
angeführt von kreischenden Kindern, die ihre Eltern an der Hand hinter sich her
zerren.
    Wade stößt mir einen Ellbogen in die Seite. »Pssst … Willst du die
Menagerie sehen?«
    »Die was?«
    Er deutet mit dem Kopf auf das Zelt zwischen uns und dem Chapiteau.
»Du renkst dir den Hals danach aus, seit du hier bist. Willst du mal sehen?«
    »Und was ist mit ihm?«, frage ich mit einem Blick auf Cecil.
    »Wir sind zurück, bevor er uns vermisst. Außerdem können wir nichts
machen, bevor er genug Leute zusammen hat.«
    Wade bringt mich zum Kartenschalter, an dem vier alte Männer hinter
roten Podesten Wache halten. Drei ignorieren uns. Der vierte streift Wade mit
einem Blick und nickt.
    »Na los. Geh schon gucken«, sagt Wade. »Ich behalte Cecil im Auge.«
    Ich spähe hinein. Das Zelt ist riesig, so hoch wie der Himmel, und
ruht auf langen, geraden Masten, die sich in unterschiedlichen Winkeln neigen.
Die Leinwand ist straff gespannt und beinahe durchsichtig – durch den Stoff und
die Nähte schimmert Sonnenlicht auf den größten Süßigkeitenstand überhaupt. Er
steht genau in der Mitte der Menagerie und funkelt im Licht, inmitten von
Bannern, die für Root Beer, Popcorn und Eiscreme werben.
    Zwei der vier Wände sind von prachtvollen, rot-goldenen Tierkäfigen
gesäumt, deren heruntergeklappte Seitenwände den Blick freigeben auf Löwen,
Tiger, Panther, Jaguare, Bären, Schimpansen und

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