Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
Klammeraffen – sogar auf einen
Orang-Utan. Kamele, Lamas, Zebras und Pferde stehen hinter niedrigen Seilen,
die zwischen Eisenpflöcken gespannt sind, und vergraben die Köpfe in Heubergen.
In einem Verschlag aus Maschendraht stehen zwei Giraffen.
Ich sehe mich vergebens nach einem Elefanten um, als mein Blick an
einer Frau hängen bleibt. Sie sieht Catherine so ähnlich, dass mir der Atem
stockt, von ihrem ebenmäßigen Gesicht über den Haarschnitt bis zu den schlanken
Schenkeln, die ich mir immer unter Catherines züchtigen Röcken vorgestellt
habe. In rosafarbenen Pailletten, Strümpfen und Satinschläppchen unterhält sie
sich vor einer Reihe von Rappen und Schimmeln mit einem Mann in Frack und
Zylinder. Einem der Schimmel, einem eindrucksvollen Araberhengst mit silberner
Mähne und Schweif, hält sie die hohle Hand unter das Maul. Sie streicht eine
Haarsträhne zurück und richtet ihren Kopfschmuck. Dann langt sie hinauf, um den
Schopf des Tiers auf dessen Stirn glattzustreichen. Mit ihrer Hand umschließt
sie sein Ohr und lässt es sich durch die Finger gleiten.
Nach einem lauten Krachen fahre ich herum und sehe, dass die
Seitenwand des Käfigs neben mir zugefallen ist. Als ich mich zurückdrehe,
blickt die Frau mich an. Sie runzelt die Stirn, als würde sie mich erkennen.
Nach einem Moment wird mir klar, dass ich lächeln sollte oder den Blick
abwenden oder irgendetwas tun, aber ich kann nicht. Schließlich legt der Mann
mit dem Zylinder ihr eine Hand auf die Schulter, und sie wendet sich ab, aber
langsam und widerstrebend. Wenig später wirft sie mir noch einen verstohlenen
Blick zu.
Wade taucht wieder auf. »Komm mit«, sagt er und verpasst mir einen
Hieb zwischen die Schultern. »Es ist Showtime.«
* * *
»Verehrte Da-a-a-amen und He-e-e-eren! Noch fü-ü-ü-ünfundzwanzig
Minuten bis zur Vorstellung! Fü-ü-ü-ünfundzwanzig Minuten! Sie können in aller
Ruhe die verblüffenden, die unglaublichen, die fanta-a-a-astischen Wunder
bestaunen, die wir aus allen Himmelsrichtungen zusammengetragen haben, und
bekommen immer noch einen Platz direkt an der Manege! Sie haben reichlich Zeit
für die Kuriositäten, die Spektakel, die Launen der Natur! Wir zeigen Ihnen die
eindrucksvollste Sammlung der Welt, meine Damen und Herren! Der ganzen Welt!«
Cecil steht auf einem Podest neben dem Eingang zur
Kuriositätenschau. Mit ausholenden Gesten stolziert er vor einer lockeren
Gruppe von etwa fünfzig Leuten auf und ab. Sie sind unentschieden, aus ihrem
kurzen Anhalten ist noch kein echtes Stehenbleiben geworden.
»Kommen Sie nur herein, sehen Sie die hinreißende, die gewaltige,
die Liebliche Lucinda – die schönste Dicke Dame der Welt! Vierhundertundzwei
Kilo pralle Perfektion, meine Damen und Herren! Sehen Sie hier den menschlichen
Strauß – er kann alles verschlucken und wieder ausspucken, was Sie ihm geben.
Versuchen Sie es! Brieftaschen, Uhren, sogar Glühbirnen! Was Sie auch wollen,
er spuckt es aus! Und lassen Sie sich Frank Otto nicht entgehen, den
meisttätowierten Mann der Welt! Er wurde im finstersten Dschungel von Borneo
gefangen genommen und für ein Verbrechen verurteilt, das er nicht begangen
hatte. Und seine Strafe? Jawohl, Leute, seine Strafe steht in unauslöschlicher
Tinte auf seinen Körper geschrieben!«
Die Menge rückt dichter zusammen, ihr Interesse ist geweckt. Jimmy,
Wade und ich mischen uns hinten unters Volk.
»Und nun«, sagt Cecil und wirbelt herum. Mit einem grotesken
Zwinkern legt er einen Finger an die Lippen – die Geste ist so übertrieben,
dass sie einen Mundwinkel nach oben zerrt. Mit erhobener Hand bittet er um
Ruhe. »Und nun – verzeihen Sie, meine Damen, aber das Folgende gilt nur den
Herren – ausschließlich den Herren! Aufgepasst, meine Herren, da wir uns in
gemischter Gesellschaft befinden, verbietet mir mein Feingefühl, mich zu
wiederholen. Meine Herren, wenn Sie heißblütige Amerikaner sind, wenn durch
Ihre Adern echtes Männerblut fließt, dann haben wir etwas für Sie, das Sie sich
nicht entgehen lassen sollten. Wenn Sie diesem Burschen dort folgen – da
drüben, gleich da drüben –, werden Sie etwas so Erstaunliches sehen, etwas so
Schockierendes, dass es Sie garantiert …«
Er unterbricht sich, schließt die Augen und hebt eine Hand.
Bedauernd schüttelt er den Kopf. »Doch nein«, fährt er fort, »der Anstand sowie
die Anwesenheit von Damen verbieten es, dass ich weiterspreche. Ich kann nicht
mehr sagen, meine Herren. Nur das noch –
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