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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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von einem
Mops, als wollte er allein durch seine Gesichtsmuskulatur seine Nase
verschließen. Er hebt seine Tasche auf und geht zur Tür.
    »Jetzt warten Sie mal einen Moment«, sagt Grady. »Wenn Sie schon
nicht, kann ihm denn irgendjemand anders helfen?«
    Der Arzt wendet sich dezidiert an mich, vermutlich, weil er von mir
bezahlt wurde. »Ach, viele werden Ihr Geld nehmen und ein Heilmittel
versprechen – das Waten in Ölschlammbecken oder Elektroschocks –, aber das
alles hilft kein bisschen. Mit der Zeit erlangt er vielleicht etwas Kontrolle
zurück, aber höchstens in sehr geringem Maße. Er hätte ja sowieso gar nicht
trinken dürfen. Das verstößt gegen das Gesetz, wissen Sie.«
    Ich bin sprachlos. Ich glaube sogar, mir steht der Mund offen.
    »Ist das alles?«, fragt er.
    »Wie bitte?«
    »Brauchen … Sie … sonst … noch … etwas?«, fragt er, als sei ich
schwachsinnig.
    »Nein«, antworte ich.
    »Dann wünsche ich einen guten Tag.« Er tippt an seinen Hut, tritt
vorsichtig auf die Kiste und steigt hinunter. Nach einem Dutzend Schritte
stellt er sein Köfferchen ab und holt ein Taschentuch hervor. Er wischt sich
sorgsam die Hände ab und fährt mit dem Tuch zwischen die einzelnen Finger. Dann
hebt er seine Tasche auf, streckt die Brust raus und geht, Camels letzten
Funken Hoffnung und die Uhr meines Vaters im Gepäck.
    Als ich mich umdrehe, knien Earl, Grady und Bill neben Camel. Das Gesicht
des alten Mannes ist tränenüberströmt.
    »Ich muss mit dir sprechen, Walter«, sage ich, als ich in den
Ziegenverschlag stürme. Queenie hebt den Kopf, sieht, dass ich es bin, und legt
ihn wieder auf ihre Pfoten.
    Walter legt sein Buch weg. »Warum? Was ist los?«
    »Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
    »Na dann los, worum geht es?«
    »Einem Freund von mir geht es schlecht.«
    »Dem Kerl mit der Ingwerlähmung?«
    Ich zögere. »Ja.«
    Ich gehe zu meiner Schlafmatte, aber ich bin zu besorgt, um mich zu
setzen.
    »Spuck’s schon aus«, sagt Walter ungeduldig.
    »Ich möchte ihn hierher bringen.«
    » Was ?«
    »Sonst schmeißen sie ihn aus dem Zug. Seine Freunde mussten ihn
letzte Nacht hinter einem Ballen Leinwand verstecken.«
    Walter sieht mich entsetzt an. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Hör mal, ich weiß, du warst nicht gerade begeistert, als ich hier
aufgetaucht bin, und ich weiß auch, dass er ein Arbeiter ist, aber er ist alt,
und es geht ihm schlecht, und er braucht Hilfe.«
    »Und was genau sollen wir mit ihm machen?«
    »Ihn einfach von Blackie fernhalten.«
    »Wie lange? Für alle Zeiten?«
    Ich lasse mich auf die Schlafmatte fallen. Er hat recht. Wir können
Camel nicht ewig verstecken. »Scheiße«, sage ich. Ich schlage mir mit dem
Handballen gegen die Stirn, wieder und wieder.
    »He, lass das«, sagt Walter. Er setzt sich auf. »Die Frage war ernst
gemeint. Was würden wir mit ihm machen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hat er Familie?«
    Mein Kopf schnellt hoch. »Er hat mal was von einem Sohn erzählt.«
    »Gut, das bringt uns schon mal weiter. Weißt du, wo dieser Sohn
lebt?«
    »Nein. Ich glaube, sie haben keinen Kontakt.«
    Walter betrachtet mich und klopft sich mit den Fingern aufs Bein.
Nach längerem Schweigen sagt er: »Na gut. Bring ihn her. Pass auf, dass dich
niemand sieht, sonst bekommen wir höllischen Ärger.«
    Ich sehe ihn überrascht an.
    »Was denn?«, fragt er und verscheucht eine Fliege von seiner Stirn.
    »Nichts. Nein. Ich meine, danke. Vielen Dank.«
    »He, ich hab schließlich ein Herz«, sagt er, lehnt sich zurück und
nimmt sein Buch auf. »Anders als manche Leute, die wir alle kennen und lieben.«
    Walter und ich ruhen uns zwischen der Matinee und der
Abendvorstellung aus, als es leise an der Tür klopft.
    Beim Aufspringen stößt Walter die Holzkiste um und fängt fluchend
die Kerosinlampe auf, bevor sie zu Boden kracht. Auf dem Weg zur Tür schiele
ich nervös zu den Truhen hinüber, die nebeneinander vor der hinteren Wand
stehen.
    Walter stellt die Lampe hin und nickt knapp.
    Ich öffne die Tür.
    »Marlena!«, sage ich und die Tür geht weiter auf, als ich eigentlich
wollte. »Warum bist du auf den Beinen? Ich meine, geht es dir gut? Willst du
dich setzen?«
    »Nein«, antwortet sie. Unsere Gesichter sind nur Zentimeter
voneinander entfernt. »Es geht mir gut. Aber ich würde gerne kurz mit dir
sprechen. Bist du alleine?«
    »Ähm, nein, nicht so richtig.« Ich blicke mich nach Walter um, der
den Kopf schüttelt und heftig mit den Händen

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