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Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
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den sie über ihrem Haar trug. Das war etwas sehr Merkwürdiges, und Iris hätte es auch bestimmt irgendwann beac h tet, wäre sie nur jemals in der Stimmung gewesen, darüber nac h zudenken. Warum sollte eine Frau lieber ihren Kopf als ihren O berköper bedecken? Der Sklavenhändler allerdings schien mit di e ser Aufmachung durchaus zufrieden zu sein und inspizierte sie genau.
    Iris aber konnte nur noch daran denken, in den silbrigblauen kühlen Teich zu springen, um sich von den heilenden Strömen der Flüssigkeit, die den hahnförmigen Mäulern der diamantäugigen, drachenköpfigen Kreaturen mit dem steinernen Antlitz entspra n gen, Kopf, Hände und die brennenden Füße abspülen zu lassen. Unfähig, ihrem Verlangen zu widerstehen, beugte sie sich vor und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
    »He, du da!« schrie der Söldner. »Das ist verboten!«
    Hastig füllten Iris und die Kinder ihre Becher und eilten wieder davon. Wie sehr sie sich doch wünschte, daß der Sklavenmeister endlich erscheinen würde, damit sie ihn identifizieren und fliehen konnte, um diesem ganzen schmutzigen Unternehmen ein für a l lemal ein Ende zu setzen! Doch ob es Schläue sein mochte oder Gleichgültigkeit, er glänzte immer nur durch Abwesenheit.
    In dieser Nacht, da ihr sehr heiß war und sie sich ganz erbär m lich fühlte, stöhnte Iris in unruhigen Schlaf und hatte einen Traum:
    Am heißen und feuchten Mittag, in einem Tal der Dr a chen, wie leblos, mit goldenem Pfeil in meiner Brust, lag ich da; um mich herum erhoben sich rauchige Spiegel, und scharlachfarbene Blutstropfen strömten über meine Brust und troffen von ihr ab.
    Allein lag ich auf dem goldenen brennenden Sand. Die steilen Schluchten der sieben Teufel blieben stumm; der Kettenhund lag japsend in der Sonne, und ich verbrannte selbst, am Fluß ohne Rückkehr, am Boden liegend.
    Ich träumte vom Geschrei eines Säuglings im Licht. Der Dämon schlug zu; dort im Sand lag meines Geliebten Leib; Dampf stieg aus der Höllenschlucht und ihren he i ßen Nimmerquellen, das Blut, es strömte kalt herab, he r aus und troff davon.
    Sie erwachte und fragte sich sofort, was der Traum wohl zu b e deuten hatte. Sie war noch nie von einem Pfeil getroffen worden, schon gar nicht von einem goldenen, noch hatte sie je einen G e liebten gehabt, der so sehr leiden mußte. Und doch wirkte der Traum eher wie eine Erinnerung. Bestimmt hatte er etwas ganz Besonderes zu bedeuten.
    Draußen vor dem Höhleneingang vernahm sie ein Donnern. Es regnete heftig, und das Wasser strömte am Boden an ihren Füßen vorüber und in die Tiefen des Berges hinein. Niemand wußte, wie weit die Höhlen sich erstreckten, denn nicht einmal die Sklavenha l ter wagten es, sie gänzlich zu erkunden. Nur das Wasser hatte s o viel Mut.
    Es war Morgen, und das Gewitter schien eine Pause einzulegen. Die Kinder brauchten etwas zu essen. Also führte Iris sie hinaus. Doch sie hatte sich getäuscht. Schon im nächsten Augenblick set z te der Regen wieder ein, und zu ihrem Erstaunen war er eiskalt. Hagel prasselte auf sie nieder, so daß sie sich ducken und in den spärlichen Schutz der Bäume fliehen mußten.
    Iris wollte zur Höhle zurückkehren, doch dafür war es schon zu spät. Das Gewitter hatte sich zu einem Wirbelsturm voller kre i schender Dämonen entwickelt. Der trieb sie in die Knie, versperrte den Blick auf den Höhleneingang und erfüllte ihren Geist mit Furcht. Die Kinder weinten, doch war es im Gebrüll des Sturmes kaum zu vernehmen. Iris streckte die Hand aus, wollte sie an sich drücken, um sie des armseligen Schutzes teilhaftig werden zu la s sen, den sie ihnen zu bieten hatte. Sie erkannte, daß Fracto g e kommen sein mußte, die böse Wolke, und daß er nun versuchte, sie alle zu vernichten. Fracto gehörte zu den wenigen Wesen, die sich von Iris’ Illusionen nur schwer täuschen ließen. Denn Fracto hatte keine Illusionen – er war einfach nur zerstörerisch.
    Von dem schrecklichen Sturm geblendet und betäubt, hielt Iris auf den einzigen erreichbaren Schutz zu: ein gemeiner Zeitbaum. Gemein war er weder vom Aussehen noch von seinem Charakter her, sondern nur in dem Sinne, daß es sich um ein gewöhnliches, unvollkommenes Exemplar handelte, das nur wenig Wirkung auf seine Umgebung auszuüben imstande war. Und so konnten Iris und die Kinder sich an ihm zusammenkauern, ohne eine allzu gr o ße, umfassende Zeitverzerrung zu erleiden. So schien es lediglich, als wäre das Gewitter träge geworden, als

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