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Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
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war. Tatsächlich handelte es sich also um eine richtige Verschwörung des Schweigens.
    Die heiße Sonne war gerade aufgegangen, und der Tag ließ jenes goldene Grün aufblitzen, das Iris so sehr genoß; und wenn sie es denn mit Illusionskraft verschönte, gaben doch sämtliche Sklaven vor, es gar nicht wahrgenommen zu haben. »Immer nur den heut i gen Tag«, wisperte Iris bei sich. »Kümmere dich immer nur um den heutigen Tag.« Und sie hoffte dabei, daß sie den Sklavenmei s ter würde identifizieren können, bevor eine von ihnen verkauft wurde.
    Denn obwohl sie es ganz gelassen zu nehmen schien, sich mit Interesse umsah und die roten Steine, die launigen Blautöne und den goldenen Sand des Sklavenlagers studierte, war sie in Wir k lichkeit alles andere als entspannt oder glücklich. Nachdem sie erst drei Wochen im Dienste des Königs von Xanth verdeckte Ermit t lungen angestellt hatte, wußte sie nur zu genau, daß die Sache mit dem »Untergrund« mehr als wörtlich zu nehmen wäre, sollte i r gend etwas schiefgehen. Sie hatte bemerkt, wie die Sklavenhändler sie musterten und gierig darauf hofften, daß sich irgendein Makel an ihr zeigen möge, der sie unverkäuflich machte, nur um sich selbst ihrer bedienen zu dürfen. Manchmal ließen sie Äste oder Steine auf dem Weg liegen, immer wie zufällig, damit Iris im Du n keln darüber stolpern mochte. Ein Sturz hätte ihr Gesicht veru n zieren und ihren Verkaufswert deutlich mindern können. Tatsäc h lich hatte es einmal sogar funktioniert. Da war sie wirklich gestürzt und hatte sich die Wange aufgerissen. Doch sie verdeckte es mit Illusion, so daß die Männer nie davon erfuhren. Seitdem achtete sie stets sorgfältig darauf, die Illusion eines Dunkellichts zu ve r wenden, dessen Strahlung nur mit Hilfe der Illusion besonderer Kontaktlinsen wahrzunehmen war, um in der Dunkelheit sehen zu können.
    Sie hatte jetzt schon Heimweh nach der nebligen Insel der Illus i on und dem kühlen grünen Meer, das an den sandigen Strand brandete. Außerdem taten ihr immer noch die Füße von dem G e waltmarsch zu diesem versteckten Sklavenlager weh, wie auch von dem ständigen Umherlaufen, zu dem sie gezwungen war, um den Sklavenhändlern zu dienen und die Kinder vor Schwierigkeiten zu bewahren. So hatte sie ihren Mangel an Gesellschaft gegen den Mangel an Behaglichkeit eingetauscht. Na ja, nicht völlig – denn sie erinnerte sich an jenen Sommer, da sie die Feuerinsel besucht hatte und dort von Feuerameisenschwärmen angegriffen worden war. Es war ihr zwar gelungen, mit reichlichen Gaben feuchten Sandes das Feuer zu löschen, doch hatten ihre Füße dabei Verbrennungen zweiten, die Beine sogar ersten Grades davong e tragen. Wochenlang war sie damals auf ihren von Brandblasen übersäten Sohlen umhergehumpelt, unfähig, den Schmerz vor sich selbst zu verbergen, obwohl sie ihn natürlich mit dreieinhalb Schichten Illusion verdeckt hatte. So schlimm war es mit ihren Füßen diesmal nicht; insgesamt aber war es hier im Sklavenlager zumindest annähernd genauso schlimm, wofür schon die Erschö p fung und die demütigende Situation selbst sorgten.
    Iris erhob sich, um noch einen kleinen Schluck Wasser zu holen; denn die Illusion konnte ihren Durst nicht wirklich löschen. Die Kinder folgten ihr im Gleichschritt, weil das die beste Methode war, um zu verhindern, daß die Kette an ihren Beinen zerrte. So humpelten sie über den Schwarzen Platz – wobei die Illusion es so aussehen ließ, als gingen sie – völlig normal – dem schönen ›got i schen‹ Springbrunnen entgegen. Iris wußte zwar nicht, was für eine Kreatur so ein Gott war, doch sie mußte ziemlich furchterregend gewesen sein; denn der Springbrunnen war liebevoll mit zahlre i chen unliebenswürdigen, gräßlichen, in Gestein gefrorenen Wa s serspeiern verziert, die in seiner goldenen Mitte spielten. Bestimmt hatte es eines sehr mächtigen Zaubers bedurft, um solche Kreat u ren hier festzusetzen.
    Neben dem Springbrunnen flirtete ein narbenübersäter, blaug e sichtiger, in Leder und Kettenhemd gekleideter, schmutzig gepa n zerter Unmenschensöldner mit einer feurigen, fuchshaarigen, weiblichen, kätzischen Neumenschenkreatur. Sie wirkte recht u m gänglich, sprach völlig unbekümmert und benahm sich ganz ka t zengleich. Iris hatte sie schon öfter gesehen und wußte, daß sie Katka hieß. Wie alle vom Lagerpersonal hatte Katka, wenngleich sie nur spärlich bekleidet war, ein Auge mit dem schwarzen Schal abgedeckt,

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