Wasser-Speier
Mauerblümchen, von denen er einige ins Flußbett umsetzen kon n te. Doch das stellte ihn vor ein neues Problem: Die Blumen brauchten Wasser, um zu erblühen; aber es gab kein Wasser.
»Na, dann such doch einfach ein paar Wasserlilien oder Wasse r melonen oder ein bißchen Brunnenkresse«, schlug Mentia ung e duldig vor.
»Es sind aber weit und breit keine zu sehen«, wandte Gary ein. »Ich kenne nur die Pflanzen, die in Sichtweite sind, weil ich jetzt schon seit etwa hundert Jahren an meinen Posten am Fluß gebu n den bin.«
»Ach, zum Henker!« rief sie. »Dann suche ich eben welche.« Ihr unterer Teil löste sich auf und formte sich zu einem merkwürdigen Radfahrzeug.
»Was ist das denn?« fragte Gary verblüfft.
»Hast du noch nie ein Nu gesehen?« Da pupste ein schmutziges Geräusch aus der Schwanzröhre des Dings; die Räder begannen sich zu drehen, und es schoß mit magischer Schnelligkeit davon: Mentia stand im Begriff, im Nu zu verschwinden.
»Nanu?« sagte Gary verdutzt.
Da kam das Ding auch schon genauso schnell wieder zurückg e huscht, um direkt vor seiner Nase anzuhalten. »Sei bloß froh, daß es kein Puh ist!« sagte die Dämonin und verschwand wieder.
Gary war angemessen dankbar. Er hatte nicht allzuviel Erfa h rung mit Dämonen; aber dieses Exemplar schien einigermaßen erträglich zu sein – wenn man mal davon absah, daß es für seinen Geschmack viel zu hübsch war.
Bald darauf kehrte sie zurück, einen schachteiförmigen Gegen s tand in der Hand.
»Das sieht mir aber nicht wie eine Wasserpflanze aus«, bemerkte Gary skeptisch.
»Natürlich nicht«, stimmte sie zu und setzte es im Flußbett n e ben ein paar felsähnlichen Kissen ab. »Das ist ein Klosett.«
»Was sollen wir denn mit einem Klosett? Wir brauchen Wasser!«
»Ein Wasserklosett«, erläuterte sie. Sie öffnete die Tür, und ein Strom leuchtendblauer Flüssigkeit schoß hervor.
»Das ist aber dreckig!« rief Gary. Er sprang hinunter und baute sich vor dem Strom auf. Dann saugte er das Wasser auf, um es wieder hervorzuspeien. »Oh – das ist ja Wasserfarbe.«
»Was auch immer«, bestätigte sie. »Aber es genügt doch, oder?«
Er überlegte, während er noch mehr von dem Wasser probierte, das sich erst rot, dann grün färbte. Schon versickerte einiges davon im Boden um die Mauerblümchen, die auch prompt zu wachsen begannen. »Ja, schon. Solange es nicht von hier wegfließt.«
»Dann bau doch einfach noch einen kleinen Damm.« Hastig kratzte Gary Erdreich und Geröll zusammen, um es dem Strom in den Weg zu schaufeln, worauf dieser eine Pfütze bildete. Jetzt blieb dem Wasser nichts anderes übrig, als im Boden um die Bl u me zu versickern. Die reagierten, indem sie blaue, rote, grüne und andersfarbige Mauern erblühen ließen, abhängig von der jeweiligen Wasserfarbe. Die Mauern versperrten den Zugang zum Hauptflußbett. Damit war die Aufgabe erledigt.
»Tja, dann wollen wir uns mal auf den Weg machen«, sagte die Dämonin und schwebte in die Höhe. Sie hatte wieder ihre volle Menschengestalt angenommen und war auch korrekt gekleidet.
Doch Gary zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob das schicklich ist.«
Sie schwebte über ihm und wurde in ihrer mäßigen Empörtheit immer hübscher. »Warum nicht, Knofelschlund?«
»Weil meine Flugfähigkeit sehr begrenzt ist. Ich wiege soviel, weil ich hauptsächlich aus Gestein bestehe. Deshalb kann ich i m mer nur fliegen, wenn ich einen steilen Abhang oder eine Stro m böe ausnutzen kann. Folglich werde ich wohl den Landweg ne h men müssen.«
»Na und? Worauf wartest du noch, Garstein? Das heißt doch noch lange nicht, daß auch ich zu Fuß gehen muß.«
»Das glaub’ ich aber doch.«
»Wieso?«
»Weil ich von hier unten aus wahrscheinlich deine Höschen s e hen könnte.«
Sie explodierte in einer wabernden Rauchwolke. Flammen u m züngelten sie, und als ihre Stimme ertönte, klang sie ausgesprochen rußig. »Es gehört sich nicht, daß du da hinlugst, du Wasserfreier!«
»Ich habe ja auch gar nicht geguckt. Aber ich glaube, wenn ich es täte…«
»Ach so.« Die Wolke sank zu Boden und verdichtete sich wieder zu einer üppigen Menschengestalt – diesmal in rote Jeans gekle i det. »Also gut, du hast gewonnen. Wenn du zu Fuß gehst, werde ich es auch tun. Danke, daß du nicht hingesehen hast.«
»Danke, daß du meinen Namen endlich richtig aussprichst.«
Sie stockte und nahm für kurze Zeit leicht unscharfe Konturen an, bis sie sich wieder verfestigte.
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