Wasser-Speier
andere, was eben so zu einem Schloß gehörte. Nur in einer Hinsicht war es ganz anders: Der Schloßgraben war leer. Offensichtlich hatte die Dürre inzwischen auch dieses Gebiet heimgesucht. Das war sehr traurig. Ohne Wassergraben war ein Schloß kein richtiges Schloß mehr.
D. Mentia hatte Gary gesagt, daß ihm drei Herausforderungen oder Prüfungen bevorstünden. Sie war zwar ein bißchen verrückt, schien aber bisher immer die Wahrheit gesagt zu haben, wenn sie auch gelegentlich einige wichtige Einzelheiten auszulassen pflegte. Deshalb würde er sich vorsichtshalber schon mal darauf einstellen.
An der Seite des Schlosses war etwas, das nach einer Zugbrücke aussah. Gary sprang darauf zu, denn das erschien ihm eine bessere Lösung, als durch den verklebten, zusammengebackenen Matsch am Boden des funktionsuntüchtigen Schloßgrabens zu stapfen.
Um ihn herum schloß sich die Vegetation zu einem dichten Dornengestrüpp. Dornen konnten Garys steinerner Haut zwar ebensowenig anhaben wie Hundebisse, doch er wollte sich nicht die Politur zerkratzen. So folgte er dem Pfad, der sich ihm anbot. Der führte zwar in einer Kurve vom Schloß fort, aber Gary ging davon aus, daß er bald wieder zurück zur Zugbrücke führen wü r de. So gelangte er in einen kleinen Wald aus Stöcken in jeder e r denklichen Farbe: ein recht hübscher Anblick.
Er kam auf eine Lichtung. Dort war ein gepanzerter Krieger d a mit beschäftigt, mühsam einige der Stäbe abzuernten. Er wirkte ein wenig erschöpft und verschwitzt. Vielleicht handelte es sich ja um jemanden, der beim Guten Magier seinen Dienst ableistete. Mögl i cherweise konnte Gary von ihm mehr in Erfahrung bringen.
Gary sprang auf ihn zu. »Hallo, Herr Krieger«, sagte er höflich. Er hatte gelernt, daß Menschen es liebten, mit Titeln angesprochen zu werden, und da es ihn nichts kostete, ihren Marotten zu en t sprechen, hielt er sich daran.
Die Gestalt unterbrach ihr Tun und fuhr zu ihm herum. »Nenn mich nicht ›Herr‹!« brüllte sie. »Ich bin kein Mann.«
Gary reagierte ziemlich verblüfft. »Entschuldigung«, sagte er reumütig. »Ich habe dich für einen Menschen gehalten.«
»Ich bin eine Menschin«, sagte sie und richtete sich zu einer kämpferischen Pose auf. Er bemerkte, daß ihr Metallpanzer auf der Vorderseite Kurven aufwies, die an Mentias Dekollete erinne r ten, wenn die Dämonin sich gerade ein solches zugelegt hatte. Das war ein Hinweis darauf, daß die Gestalt von menschlichem G e schlecht sein mußte. »Ich bin Hannah Barbarin, und wenn du ein frecher Geck von einem Mann sein solltest, schneide ich dir drei von deinen Beinen genauso schnell ab wie diese Sputstäbe.«
»Sputstäbe?«
»Die benutzt man als Spazierstöcke«, sagte sie unwirsch. »Aber sie bringen einen dazu, sich beim Gehen sehr zu sputen. Ich bin mir zwar sicher, daß sie ziemlich nützlich sind, aber es ist mühsam, sie in der Hand zu halten.« Und tatsächlich – der Stab, den Ha n nah soeben abgeschnitten hatte, peitschte heftig umher, als wollte er sich aus ihrem Griff befreien, während das verschnürte Bündel am Boden herumhopste und verzweifelt versuchte, den Standort zu wechseln.
»Vielleicht könnte ich dir ja bei der Arbeit ein wenig zur Hand gehen«, erbot sich Gary.
Das schien sie nur noch wütender zu machen. »Ich brauche ke i ne Hilfe von irgendeinem dahergelaufenen Mann! Und nun ve r schwinde, bevor ich mich vergesse und dir irgend etwas Feminist i sches antue.« Bedrohlich begann der Stock in ihrer Hand zu wi r beln.
Gary sprang hastig weiter. Er hatte zwar immer nur gehört, daß menschliche Weibchen in der Regel liebenswürdig und sanft w a ren, aber da war er offensichtlich falsch unterrichtet worden. Vie l leicht war das ja eine von den Kleinigkeiten, die Mentia nicht e r wähnt hatte.
Der Weg machte eine Kurve und führte Gary wieder zur Zu g brücke, vor der zwei junge Menschenmänner standen. Mit einem Satz kam auch Gary zum Stehen. »Hallo«, sagte er und ließ dabei das »Herr« vorsichtigerweise weg, um niemanden zu verärgern.
Die beiden beäugten ihn säuerlich. »Selber hallo«, erwiderte der eine mürrisch.
»Du bist aber eine furchtbar häßliche Kreatur«, fügte der andere unverblümt hinzu.
»Danke«, erwiderte Gary. Er hatte begriffen, daß Menschen Komplimente liebten; also revanchierte er sich: »Du siehst auch nicht gerade blendend aus.« Im Grunde war das etwas übertrieben, da der Mann nicht mal im entferntesten an den Maßstab für Hä ß
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