Wasser zu Wein
Spätlese und prostete in die Runde – zufrieden wie ein satter Kater, dachte von der Lotte.
»Gut gegeben.« Hannes Janz hob ebenfalls das Glas und nickte Panitz mit unbewegtem Gesicht zu. »Mal abgesehen davon, daß Heinrich Corves längst tot ist und Christoph Corves alles tut, um den Namen seiner Familie wieder reinzuwaschen.«
»Mir geht es ums Prinzip, um sonst nichts.« Panitz steckte die Nase wieder ins Glas.
Mutig, mutig, dachte von der Lotte und sah zu Hannes Janz hinüber. Der gehörte schließlich auch zu den Vertretern Satans, die Panitz regelmäßig exorzierte. Janz war Kellermeister bei Schepp gewesen, dem Ober-Weinpanscher. Dem hatte man in den achtziger Jahren nicht Zucker, sondern Glykol im Wein nachgewiesen. Hannes Janz hatte damals alle Schuld auf sich genommen – man behauptete, Schepp habe ihm dafür eine Entschädigung versprochen. Das mußte der schnell wieder vergessen haben. Denn im Unterschied zu einigen anderen war Janz nicht zu unverhofftem Reichtum gekommen und arbeitete heute – der Jüngste war er auch nicht mehr – als stellvertretender Kellermeister bei Corves. Warum gerade Corves einen rechtskräftig verurteilten Weinpanscher beschäftigte, wo er doch Panitz im Nacken sitzen hatte? Lotte ließ den Rest Wein in seinem Glas kreisen. Weiß der Himmel.
»Was ist die Sauerstoff-Isotopenanalyse?« Susanne Eggers blickte fragend in die Runde. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wo er sie schon mal gesehen hatte – im letzten Jahr, im November, während der Raritätenprobe. Und Panitz hatte ihr eine seiner üblichen Weinpredigten angedeihen lassen. Auch jetzt reagierte der auf ihre unschuldige Frage wie angeknipst. Alain Chevaillier, dein Rennen ist gelaufen, dachte Lotte und lehnte sich zurück, damit die Kellnerin ihm seine Vorspeise servieren konnte.
Er fächelte sich mit der Hand das vom Teller aufsteigende Aroma vor die geweiteten Nüstern und nahm dann die Komposition des Ganzen in Augenschein. Na ja – auf die Beigabe von weder schmackhaften noch dekorativen Salatblättchen mochte man auch bei Klars nicht verzichten. Aber so unappetitlich wirkte das nicht, daß man wie Dana Müller-Dernau neben ihm darin herumstochern mußte.
»Das ist Parfait von der Gänseleber mit Korianderäpfelchen.« Er war bemüht, freundliche Aufmunterung in die Stimme zu legen.
Dana Müller-Dernau ließ geräuschvoll die Gabel auf den Teller fallen und winkte nach der Bedienung. »Eine Cola light«, sagte sie. Von der Lotte sah sie an, für einen Moment sprachlos vor Entsetzen.
»Da weiß man wenigstens, was drin ist!« Das Mädchen lachte so lange, bis er zurückgrinsen mußte. Das machte sie ihm nicht sympathischer. Er hob das Glas mit dem Charta-Wein und nahm einen tiefen Schluck. Und noch einen.
Cola light. Um Himmels willen.
Als die leeren Teller abgeräumt waren, räusperte sich Panitz, betupfte sich mit seiner Serviette die Unterlippe und entschuldigte sich bei den Damen, um wieder ans Mikrofon zu gehen. Alter Angeber. Von der Lotte winkte nach dem Kellner. Aber Frauen schienen auf ihn zu fliegen. Auch Susanne Eggers, was ihm einen kleinen Stich gab. Denn eigentlich sah sie richtig nett aus. Er ließ die Augen auf ihren runden Schultern ruhen, über die lange, blonde Haare flossen. Als er wieder aufsah, strahlte sie ihn an und zuckte mit den Schultern – als ob sie ihm zu verstehen geben wollte, daß auch sie ihn nicht so richtig ernst nahm, den dicken August. Oder täuschte er sich?
Er spürte, wie ihm nicht warm, sondern heiß wurde. Und im nächsten Moment fühlte er weiße weiche Arme um sich, roch den Duft von warmem Weißbrot und frischgekochter Johannisbeermarmelade, spürte den Kuß seiner Mutter auf der Stirn und das Kitzeln einer langen blonden Haarsträhne an seiner Wange und hörte ihre Stimme sagen: »Schön aufessen! Sonst scheint morgen nicht die Sonne!«
Erschrocken merkte er, daß er Susanne noch immer völlig selbstvergessen anstarrte. Glücklicherweise hatte Chevaillier sie etwas gefragt, so daß sie nicht sehen konnte, wie schäfisch er sich benahm. Er war froh, daß ihm die Kellnerin endlich nachschenkte – in korrekter Haltung, die linke Hand hinter den Rücken gelegt, wie er mit frisch geschärfter Aufmerksamkeit registrierte. Dazu war er hier. Und nicht, um romantisch zu werden.
Passenderweise war Panitz gerade bei seiner zweiten Spezialität angekommen – bei onkelhafter Schlüpfrigkeit. »Wann soll man große Weine trinken? Sofort! Sonst erbt es doch nur die
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