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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Außenstehende mußten ja glauben, sie würden sich in Wingarten noch heute die Köpfe der Vergangenheit wegen einschlagen.
    »Na ja.« Janz hob die Zigarettenschachtel hoch und schaute fragend zu Wallenstein hinüber. »Oben auf der Vitrine«, sagte der. Janz stand auf und holte sich den Aschenbecher herüber. Dann setzte er sich wieder, beugte sich breitbeinig vor und legte die Unterarme auf seine Knie. »Ich weiß nicht.«
    Er zündete sich eine Zigarette an, inhalierte und stieß den Zigarettenrauch geräuschvoll wieder aus. Bekenntnisse. Alle Welt wollte Bekenntnisse. Und warum auch nicht? Sie hatten ein Recht darauf.
    »Der alte Corves war ein Betrüger. Schepp war ein Betrüger. Die Bessenauers waren Betrüger. Und ich habe mitbetrogen«, sagte er. »Es gibt da gar nichts zu beschönigen.« Der Muskel über dem rechten Augenlid begann wieder zu flattern. Janz drückte mit den Fingerspitzen dagegen. Kalt ließ ihn die alte Geschichte noch heute nicht. »Wir haben nicht nur gegen Gesetze verstoßen und unsere Abnehmer hintergangen, wir haben uns anschließend auch noch gegenseitig in die Pfanne gehauen.«
    »Schepp wollte dich entschädigen dafür, daß du die Schuld auf sich nahmen – war doch so, oder?« fragte Frieders Großneffe.
    »Richtig. Den Brief mit der Abmachung habe ich mir zu Hause über den Schreibtisch gehängt. Wert war sie nix.«
    »Hannes hatte Frau und Kind, Paul.« Der Alte wollte ihm beispringen. Janz fühlte, wie ihm die bittere Galle die Kehle hochstieg. Nett gemeint. Aber das entschuldigte nichts. Gar nichts. Im Gegenteil: Es hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Denn was er glaubte, für die Familie tun zu müssen, hatte die ihm nie verziehen. Evamaria war vor dem Skandal geflohen. Erst bei Peters Begräbnis hatte er sie wiedergesehen.
    Und es half ihm auch nicht, daß Schepp sein Versprechen nicht eingehalten hatte. Die lächerlichste Gestalt war immer und überall – der betrogene Betrüger. Er war der tiefen Überzeugung, daß er nur bekommen hatte, was er verdiente.
    Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und drückte sie, halbgeraucht, im großen braunen Aschenbecher aus. »Ohne Christoph Corves hätte ich mich aufhängen können. Ich weiß nicht, warum er damals das Risiko eingegangen ist, mich einzustellen. Einen rechtskräftig überführten Betrüger. Obwohl er verzweifelt darum kämpfte, den eigenen Ruf zu retten.«
    »Bei dir hatte er die Gewißheit, daß du es nie wieder versuchen würdest«, sagte Paul leise. Mit Unbehagen sah Janz das Mitleid im Gesicht des Jüngeren.
    »Christoph Corves hat seinen Vater geliebt und bewundert.« Wallenstein schien zu glauben, er müsse bei seinen Gästen um Verständnis werben. »Es hat ihn tief getroffen, daß sein Vater versucht hatte, das überschuldete Weingut durch Betrug zu retten. Und am meisten hat ihn getroffen, daß der Alte sich erschossen hat.«
    In den Weinbergen. Er hatte sich das Gewehr zwischen die Knie geklemmt, den Lauf in den Mund gesteckt und abgezogen. Janz hatte ihn damals gefunden. Es war kein schöner Anblick gewesen. Das zerspritzte Hirn und die Knochensplitter. Und für den Sohn gab es ein paar hübsche Überraschungen, als es ans Erben ging. Ach, Wallenstein! Der Alte wollte immer das Gute in den Menschen sehen. Natürlich hatte Corves seinen Vater geliebt. Aber er haßte ihn auch – für das, was er ihm hinterlassen hatte. Und was der Sohn nun wiedergutmachen mußte. Jeden Tag. Bis ans Ende seiner Tage. Und ich, dachte Janz, ich tue mit ihm Buße.
    »Wir leisten Abbitte«, sagte er laut. »Jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr. Im Wingert und im Keller. Es wird keine einzige Flasche Corves-Wein ausgeliefert, die nicht makellos wäre. Selbst Panitz würde das nicht bestreiten.«
    Frieder Wallenstein nickte. »Panitz ist unbestechlich. Er weiß, wie gut euer Wein ist.«
    Paul hob ungläubig die Augenbrauen. »Und warum verfolgt er Corves und dich in aller Öffentlichkeit? Geradezu fanatisch?«
    Janz seufzte und schwieg. August M. Panitz gehörte einfach zur Buße dazu.
    Das Gespräch versickerte. Der Hund ließ sich mittlerweile von Paul kraulen. Die Staatsanwältin stand vor der Vitrine und bewunderte Wallensteins Pokale. Janz griff sich die Karaffe und ging in den Keller.

14
    Karen wußte später nicht mehr genau, worüber sie sich gerade unterhalten hatten. Sie erinnerte sich nur, daß Paul den Namen »Evchen« erwähnte. Und wie sie ihnen immer das Essen hochgebracht hatte in den Wingert. »Was macht

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