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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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immer ihre typischen Geräusche im Ohr habe, lässt sich eine einfache Schlussfolgerung ziehen: Dieses Land, das ich hier bereise, ist vor allem ein Land der Pumpen, und diese wiederum werden in stetigem Rhythmus und bis in alle Ewigkeit ihre Aufgabe zu erfüllen haben. Das Neue dabei ist nur, dass sie aufgrund der Veränderungen des Wasserkreislaufs ständig mehr und mehr Wasser abpumpen müssen. Nach Aussagen der Behörden wird das allerdings auf Dauer nicht ausreichen.
    Es steht zu befürchten, dass das in den Alpen befindliche Wasser viel schneller und umfänglicher als bisher in die großen Flüsse gelangen wird. Parallel dazu wird sich die Niederschlagsmenge erhöhen. Während die Flüsse bereits jetzt nahezu bis zum Rand mit Wasser gefüllt sind, das aus den Poldern und der Erde in sie hineingepumpt wird, werden sie künftig auch noch mehr natürliches Wasser mit sich führen. Niederländische Politiker befürchten, dass das empfindliche Gleichgewicht zwischen Land und Wasser bald nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
    Die niederländische Regierung ist der Ansicht, dass das weltweit effizienteste Flussmanagement-System mit all seinen Deichen (Gesamtlänge 1430 Kilometer) nicht mehr ausreicht, um die Situation künftig zu meistern. In diesem Land wurden Deichbauer als Symbol der Nation betrachtet, niederländische Wasserbauingenieure waren in aller Welt unterwegs, um Wasser zu zähmen. Die ersten Kanäle, welche die Hansestädte im 15. Jahrhundert mit der Elbe und mit Hamburg verbanden, wurden von holländischen Ingenieuren erbaut; Ende des 19. Jahrhunderts leiteten sie Projekte zur Eindämmung des Wassers in Japan, ohne die die wirtschaftliche Revolution des Landes nicht möglich gewesen wäre; heute werden sie überall, von New Orleans bis Schanghai, um Rat gefragt. Doch nun hat man sich in der Heimat zu drastischen Maßnahmen durchgerungen. Die Niederlande müssen nun Deiche abreißen, um den Flüssen mehr Raum zu geben. Die Regierung hat sich klar ausgedrückt: »Wir können mit dem ganzen Wasser nicht mehr auf die althergebrachte Art umgehen.« 13
    Ich besuche schließlich die Region um Dordrecht, denn hier ist die Zukunft bereits Wirklichkeit. Das Gebiet wird von den Flüssen Oude Maas, Beneden Merwede, Nieuwe Merwede, Hollands Diep und Dordtsche Kil begrenzt. Der Name Dordrecht bedeutet »Flusskreuzung« – es ist also leicht zu verstehen, warum diese Region große Probleme bekommen wird, wenn das Wasser steigt. Einige Bauern in der Gegend sind gerade dabei wegzuziehen. Denn in Kürze werden ihre Höfe drei Meter unter Wasser stehen.
    »All das kommt nur den Leuten in den Städten zugute«, sagt eine Bäuerin leicht verbittert, doch gleichzeitig versteht sie, dass die Regierung handeln muss. Irgendjemand muss sich schließlich für höhere Interessen opfern. Kaum ein anderes Land ist schon so weit fortgeschritten wie die Niederlande, wenn es darum geht, praktische Konsequenzen aus der begonnenen Klimaveränderung zu ziehen und sich auf eine völlig veränderte Wasserlandschaft einzustellen.
    Ein niederländischer Kollege, einer der führenden Hydrologen des Landes, ist allerdings der Ansicht, dass diese Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen. »Sie werden erst begreifen, wenn die Katastrophe sie bereits eingeholt hat, und eine Katastrophe wirkt immer mit despotischer Macht«, sagt er und zieht Parallelen zu den epochalen Flutkatastrophen, die das Land im Laufe seiner Geschichte heimgesucht haben.
    Als das Fluzeug diesmal in Schiphol startet, werfe ich einen besonders langen Blick auf die durchkontrollierte niederländische Wasserlandschaft und frage mich, wer hat recht? Sind die Maßnahmen völlig unzureichend oder total überdimensioniert? Wessen Interessen werden hier geopfert, damit der Rest der Niederlande in den kommenden Jahrzehnten vor dem Flusswasser sicher ist?
    Zweifellos ist in den Niederlanden jedoch erkennbar, dass das Zeitalter der neuen Wasserunsicherheit auch den europäischen Kontinent erreicht hat und hier bald ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Die Eiswüste als Hotspot der Welt
    An der 2600 Kilometer langen Ostküste Grönlands gibt es zwei Städte und sieben kleine Siedlungen, in denen zusammen ungefähr 5000 Menschen leben. Nur fünf Monate im Jahr kann ein Schiff dort anlegen, in der restlichen Zeit ist das Eis undurchdringlich. Ich fliege mit einem Helikopter nach Tasiilaq. Während wir uns unserem Ziel nähern, scheint die Frühlingssonne an einem unendlichen,

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