Wasser
Kampf um die Macht über das Wasser wird sich völlig anders zu einer Frage von Leben und Tod entwickeln, er wird bis in alle Ewigkeit andauern und alle Menschen betreffen. Außerdem wird er sich ganz anders gestalten und viel subtiler verlaufen, denn die Besitzrechte an einer gemeinsam genutzten Ressource werden viel schwieriger zu klären sein. Der Kampf um die Macht über das Wasser wird sich zwischen Individuen, zwischen Gruppen, zwischen Stadt und Land, zwischen Staaten undRegionen abspielen. Es wird sich nicht nur um einen Kampf um die Macht über eine Ressource handeln, sondern zugleich um einen Kampf um zentrale religiöse Symbole und kulturelle Traditionen. Da die Hälfte der Menschheit an Wasserläufen lebt, die durch zwei oder mehr Länder fließen, kann die Macht über die Wasserressourcen kontinentale und globale Bedeutung erlangen, zumal es sich als schwierig erwiesen hat, einen verbindlichen internationalen Gesetzesrahmen zu schaffen. Darüber hinaus ist das Wasser mitunter auch in den Regionen eines Landes sehr ungleich verteilt, was dazu führen kann, dass die nationale Einheit in Frage gestellt wird. Kaum etwas kann die gravierenden sozialen Unterschiede auf der Welt unmissverständlicher ausdrücken als Wasser, da Reiche und Arme gleich viel davon haben müssen, um leben zu können.
Die 900 Millionen Menschen, die 2006 auf der Erde in Slums lebten, haben täglich nicht mehr als fünf bis zehn Liter Wasser zur Verfügung. Dieses mit Tankwagen herbeigeschaffte Wasser kostet in der Regel mehr als das fließende Wasser, das die gut situierten Einwohner derselben Stadt nutzen können. 31 Diese Ungleichheit wird in den wachsenden Großstädten der Erde zu sozialen und politischen Konflikten führen.
Als der deutsche Philosoph Immanuel Kant vor mehr als zweihundert Jahren, 1795 in seinem Essay »Zum ewigen Frieden« optimistisch schrieb, dass die Welt zu ewigem Frieden vorbestimmt sei – entweder aufgrund weiser menschlicher Voraussicht oder durch Katastrophen, die den Menschen zu entsprechenden Verträgen zwängen –, übersah er einen fundamentalen und nachhaltigen Aspekt: Der unabdingbare und sich ständig verändernde Bedarf an Wasser steht einer permanenten Unberechenbarkeit dieses Elementes gegenüber. Die damit verbundene, extrem ungleiche Verteilung des Süßwassers, das immer flüchtig bleibt und sich über Landesgrenzen, kulturelle und soziale Schranken auf der ganzen Welt hinwegsetzt, wird kontinuierliche Reibungen hervorrufen und es ist keineswegs ausgemacht, dass sich die Beteiligten dabei stets gütlich einigen.
Keine Theorie, sei es über das Verhältnis zwischen Staat und Markt, über das Agieren der Staaten auf internationaler Ebene oder über das Verhältnis zwischen Macht und Ausnutzung von Ressourcen, hat dieses komplex globale, regionale und lokale Spiel um das Wasser bisher ausreichend darstellen können.
Sun City und Südafrikas kurzer
»Wasserkrieg« mit Lesotho
Reisen sei zu einer illusorischen Flucht vor der unerträglichen Langeweile der Mittelklasse geworden, schreibt der im Jahre 2009 verstorbene britische Autor James Graham Ballard. Er trifft ins Schwarze, wenn er mit Reisen eine um der Erregung willen unternommene Jagd auf das Fremdartige, das Andere, sogar das Entwürdigte meint.
Sun City liegt nördlich von Johannesburg und Pretoria inmitten der trockenen Buschlandschaft Südafrikas. Es gilt als afrikanisches Äquivalent zu Las Vegas – eine künstliche Kitschmetropole mit Kasinos, Luxusrestaurants und Musikbühnen. Ich bin dorthin gefahren, um mir ein konkretes Beispiel für die totale Eroberung der Natur durch den Menschen anzusehen. Sun City steht im Kontrast zur Existenz all jener Frauen auf diesem Kontinent, die kilometerlange Strecken zwischen Wohnort und Wasserquelle zurücklegen müssen, um Wasser für ihre Familien zu holen und damit einen Großteil ihres Lebens verbringen.
Die Architekten haben in Sun City die natürliche Bestimmung des Ortes mithilfe von Wasser aufgehoben. Sie haben das Wasser aus dem Grund heraufgepumpt und eine neue Oase erschaffen. Das Hotel »Cascades« liegt gleich neben einem künstlichen Wasserfall. Dessen Wasserlauf hat zuvor 250 000 Quadratmeter von Menschenhand angelegten Dschungels durchflosssen, mit Scharen tropischer Vögel, die hier genauso schön und exotisch singen, als befänden sie sich im unberührten, echten Dschungel. Es gibt leuchtend grüne Golfplätze und befestigte Wege inmitten eines komplexen Systems aus
Weitere Kostenlose Bücher