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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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zufolge haben sich hunderte von Bauern das Leben genommen, weil ihnen das Wasser für eine auskömmliche Existenz fehlte. Einige Beobachter wollen festgestellt haben, dass sich die Minarette des Tadsch Mahal zur Seite geneigt haben, weil der Wasserstand im Yamuna, der an diesem Tempel vorbeifließt, so gering geworden sei, dass er das weltberühmte Symbol der Liebe aus dem Gleichgewicht gebracht habe. 43 Andere Untersuchungen hingegen bestreiten diese Behauptung. 44 Doch die Diskussion drückt das weit verbreitete Gefühl aus, dass sich das Land auf dem Weg in eine Wasserkrise befindet und die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Wassernutzung eskalieren werden. Aus allen Regionen Indiens kommen Berichte über Wasserkrisen. Da 90 Prozent des indischen Territoriums von Flüssen durchzogen werden, die zwei oder mehr Bundesstaaten berühren, ergibt sich ein enormes nationales Konfliktpotenzial. Viele regionale Unabhängigkeitsbewegungen von Assam bis Punjab sowie der Ruf nach einem eigenen Sikh-Staat waren und sind von Uneinigkeiten über die Besitzverhältnisse des Wassers beeinflusst.
    Langfristig ist es auch politisch brisant, dass die ungleiche Wassersituation zu unterschiedlichen Entwicklungen der Bundesstaaten führt. Die Einheit der von Mahatma Gandhi und Nehru aufgebauten Nation ist in Gefahr. Einige Beobachter glauben, dass die westlichen und südlichen Landesteile größere Ähnlichkeit mit Kalifornien bekommen könnten, wohingegen sich der Norden und Osten dem Aussehen des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara annäherten. Die indische Regierung nimmt an, dass bis zum Jahr 2025 in zwölf großen und 40 mittelgroßen FlüssenWasserknappheit herrschen wird, darunter Ganges, Subarnarekha, Krishna, Mahi, Tapti, Kaveri, Pennar und Sabarmati. Hunderte Millionen von Menschen sind betroffen. Hinzu kommt, dass hierbei mögliche Klimaveränderungen sowie Pläne Chinas, den Flüssen Wasser zu entnehmen, bevor sie Indien erreichen, noch gar nicht berücksichtigt sind. Und gleichzeitig besteht laut Regierung ein enormer Bedarf für den Ausbau der Landwirtschaft, was einen zunehmenden Bedarf an künstlicher Bewässerung zur Folge hat. Die Regierung betont, dass sich 40 Prozent des fruchtbaren Landes Asiens in Indien befänden, so dass eine Entwicklung des Landes im Interesse dieser ganzen Weltregion liegen sollte.
    »Jede Haushaltsplanung ist wie ein Wetteinsatz auf den Monsun«, erklärte einst der indische Finanzminister. Der Monsunregen ist noch immer einer der größten Unsicherheitsfaktoren im Land. Er beginnt Ende Mai im südwestlichen Bundesstaat Kerala und erreicht in der Regel sechs Wochen später Rajasthan. Dieses mal kräftig, mal zögerlich auftretende Naturphänomen wurde von allen Dichtern und Schriftstellern beschrieben, die Indien schätzten – von Rudyard Kipling bis Rabindranath Tagore. Gefühl und Ausdruck sind dabei immer gleich: Wenn der Regen ausbleibt, kommt die Dunkelheit. Ohnehin ist der Niederschlag ungleich verteilt. In einigen Landesteilen regnet es mehr als überall sonst auf der Welt – zum Beispiel mehr als elf Meter pro Jahr in Cherrapunji im Bundestaat Meghalaya. Andere Regionen hingegen bleiben fast völlig trocken, wie etwa das westliche Rajasthan, in dem es lediglich einhundert Millimeter pro Jahr regnet.
    Indiens Geschichte ist eine Folge von Dürre- und Flutkatastrophen, wenngleich die großen Unglücke, die jedes Jahr Millionen von Menschen töteten, dank erhöhter Kontrolle über das Wasser sowie der grünen Revolution und verbesserter Kommunikation heute mehrheitlich der Vergangenheit angehören. Doch trotz aller Dammanlagen wird die angespannte Wasserlage ein immer wichtigeres Thema, und die Lebensmittelproduktion in Indien kann mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten.
    Um dieser schweren Wasserkrise entgegenzuwirken, die die Einheit und Entwicklung Indiens nach Ansicht der Regierung gefährdet, arbeitet Delhi nun an einem der größten Gewässerverlegungsprojekte der Geschichte, dem »National River Linking Project« (Plan zur Verbindung von Flüssen), der im Jahr 2002 erstmals vorgestellt wurde. Diese Idee, die aus der Kolonialzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Arthur Cotton, einem der führenden Vertreter des Imperiums, stammt, wird nun neu aufgelegt und erweitert: 37 große, aus dem Himalaja kommende Flüsse sollen mit den südlichen Strömen des Landes zu einem von Menschenhand erschaffenen Flusssystem verknüpft werden. Eine

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