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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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zentrale Wasserkontrollstelle könnte dann darüber entscheiden, wieviel Wasser die einzelnen Regionen des Subkontinents erhalten. Zwischen den verschiedenen Wasserläufen sollen jedes Jahr 170 Milliarden Kubikmeter Wasser verteilt werden. Dazu kommen 12 500 Kilometer neue Kanäle, einige davon in den Nachbarländern Nepal, Bhutan und Bangladesch. 350 000 Quadratmeter Land sollen dadurch künstlich bewässert werden können. Außerdem ist die Gewinnung von bis zu 35 000 MW Elektrizität durch Wasserkraft vorgesehen. Die Kosten für dieses Großprojekt werden auf 150 bis 250 Milliarden Euro geschätzt. Die umfassenden und technisch detaillierten Berichte, die die Regierung unter Berücksichtigung von Prognosen zum Bevölkerungswachstum – bis zum Jahr 2050 werden in Indien voraussichtlich 1,8 Milliarden Menschen leben – über den Bedarf an Wasser für Landwirtschaft und Industrie vorgelegt hat, vermitteln einen überwältigenden Eindruck vom gigantischen Umfang der Wasserprobleme und der Komplexität des Projektes. 45
    Die indische Regierung und die Wasseringenieure wollen den Monsun als launischen Herrscher des Subkontinents entthronen. Der bisher mit dem Wirken der Natur verbundene Fatalismus ist verschwunden; die mitunter despotische Macht des Monsuns soll gebrochen werden. Die Gegensätze, die sich daraus ergeben, dass der Brahmaputra und der Ganges zwei Drittel der indischenWasserressourcen mit sich führen, während ein Drittel des Landes von Trockengebieten beherrscht wird, will man somit überwinden.
    Der spektakulärste Teil des Projektes sieht vor, Wasser aus dem Brahmaputra durch Kanäle und Tunnel quer über den ganzen indischen Subkontinent zu verteilen – von der Grenze zu Bangladesch im Osten über den Wüstenstaat Rajasthan bis nach Pakistan im Westen. Mithilfe eines 457 Kilometer langen Verbindungskanals sowie Dämmen in den Flüssen Manas und Sankosh soll auch dem Ganges mehr Wasser zugeführt werden. Es ist sogar daran gedacht, den im Zentrum der hinduistischen Mythologie stehenden Fluss Sarasvati mit Wasser aus dem Satluj und dem Brahmaputra, die beide dem Manasarovar-See im Kailash-Gebirge in Tibet entspringen, nach 3500 Jahren zu neuem Leben zu erwecken. Und wenn das Wasser aus dem Himalaja erst die Südspitze des Subkontinents erreicht hat, wird ein Stück Geschichte fortgeschrieben: Vor circa tausend Jahren, als der Chola-König Rajendra I. die Gangesregion erobert hatte, forderte er nicht etwa Gold oder Land, sondern bat um eine Schale mit heiligem Gangeswasser, das in die Stadt Kanchipuram gebracht werden sollte, um dort mit den heiligen Brunnen vor den Tempeln vermischt zu werden. Dieses kulturelle Erbe wird mit dem Plan, Wasser vom Manasarovar-See in Tibet bis an die Südspitze Indiens zu führen, in die Zukunft gerettet.
    Nach Ansicht einiger Beobachter ist die Debatte über den Plan zu einem »lautstarken Kampf, frei von wissenschaftlicher Analyse« 46 geworden. Umweltaktivisten und wasserreiche Bundesstaaten wehren sich gegen das Projekt. Die Aktivisten befürchten, dass es zerstörerische Auswirkungen auf Indien haben werde und dass das Land nicht die Mittel für ein Vorhaben aufbringen könne, das die Natur in solch großem Umfang manipuliert. Die wasserreichen Bundesstaaten meinen, keine Ressourcen abgeben zu können, da der Wasserbedarf in Zukunft noch über das hinauswachsen werde, was derzeit zur Verfügung steht. Der für Wasser zuständige Minister Westbengalens bezeichnet den Plan als »potenzielle Bedrohung« für seinen Bundesstaat, und in Assam, wo das Wasser des Brahmaputraals landeseigener Besitz gilt, halten die politischen Führer das Projekt für eine »ausgemachte Konspiration, um die Bewohner des Staates ihres gebührenden Wasseranteils zu berauben« 47 . Je umfassender sich das Projekt gestaltet, desto schwieriger wird es, das Wasser zwischen Bundesstaaten und Verbrauchern gerecht zu verteilen. Ständige daraus resultierende Konflikte werden somit das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und den 25 Bundesstaaten auf die Probe stellen. Schon immer war ein starker Staat erforderlich, um komplizierte Projekte zur Wasserverteilung umzusetzen. Wenn dieser Plan, der alle anderen an Komplexität und Koordinationsbedarf übertrifft, eines Tages von Erfolg gekrönt sein sollte, wird er einen starken und hinlänglich autoritären Staat nicht nur voraussetzen, sondern auch rechtfertigen.
    Die indische Regierung lässt sich nicht in die Karten schauen. Sie geht behutsam

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