Wasser
kann.
Klimaveränderungen im Himalaja und die Wahrscheinlichkeit, dass Kaschmir unter indischer Führung mehr Wasser benötigen wird, führen auch zu einer Verstärkung der Wasserkrise im trockenen Pakistan. Die Möglichkeiten Pakistans, dem Indus mehr oder auch nur genauso viel Wasser wie bisher zu entnehmen, sind also von den Entwicklungen in Kaschmir abhänging. Und da zahlreiche Nebenflüsse des Indus durch Kaschmir fließen, wird die Nation, die Kaschmir kontrolliert oder eines Tages kontrollieren wird, auch über die Wasserzukunft des Subkontinents entscheiden können. Nur Wenige sprechen es offen aus, aber die Wasserproblematik wird den Ausgang des Konfliktes beeinflussen, wenn nicht sogar entscheiden.
Als die Briten während der Kolonialzeit den Lauf des Indus zu steuern begannen, betrachteten sie diesen als zusammenhängende Planungseinheit. Nachdem sich Indien und Pakistan 1947 als souveräne Staaten getrennt hatten, wurden auch das Fluss- und das Bewässerungssystem aufgeteilt. Der Konflikt um den Indus geriet schnell zu einer zentralen Streitfrage. Um Pakistan zum Nachgeben zu zwingen, drehte Indien 1948 der zu jener Zeit wichtigsten pakistanischen Stadt Lahore das Wasser ab. Nach 18 Tagen öffneten sie den Wasserhahn wieder und einigten sich mit Pakistan auf das »Inter Dominion Agreement« (Bilaterales Abkommen), das weitere Verhandlungen zur Lösung des Wasserproblems festschrieb. Das endgültige Abkommen – tatsächlich ein Drei-Parteien-Vertrag zwischen Indien, Pakistan und der Weltbank, die für sein Zustandekommen einiges unternommen hatte – wurde 1960 unterzeichnet und als Sieg von Frieden und Freundschaft sowie als Modell für andere internationale Wasserläufe gefeiert. Das Abkommen basiert allerdings nicht auf einer Zusammenarbeit beim Thema Indus, sondern auf einer Zersplitterung des gesamten Indussystems. Indien erhielt die Exklusivrechte zur Nutzung der drei östlichen FlüsseSatluj, Beas und Ravi, wohingegen Pakistan über die Wasserläufe Indus, Jhelam und Chanab verfügen konnte. Nach dem Abkommen von 1960 hat Pakistan also auch ein Anrecht auf den Jhelam, der die unter indischer Hoheit stehenden Teile Kaschmirs durchfließt und bewässert. Die Regierung Pakistans ist der Ansicht, dass ihr Land dieses Wasser – in zunehmendem Maße – benötige, wohingegen Kaschmir, dessen rechtlicher Status zwischen den beiden Ländern noch immer umstritten ist, kein Anrecht auf Wasser aus dem Indus sowie dessen durch Kaschmir verlaufende Nebenflüsse habe.
Die wichtigsten mit Kaschmir verbundenen hinduistischen Mythen, mit denen unter anderem der indische Anspruch auf diese Region begründet wird, sind mit dem Indus verknüpft. In ihnen wird Kaschmir als eine riesige, von Bergen umgebene Wasserlandschaft geschildert. Ein Sanskrit-Text aus dem 8. Jahrhundert, das »Nilamatapurana«, beschreibt, wie das Kaschmirtal unter dem Schutz der Nagagötter, die ein Synonym für den Lebensquell sind, durch Wasser entstand. Die Schrift erzählt von Kaschmir als Materialisierung der Göttin Uma, als heiliges Land Vitastas, wie der Jhelam als Nebenfluss des Indus einst genannt wurde. Noch heute feiern die Hindus den Geburtstag Vitastas – oder Jhelams – und opfern ihm Milch und Blumen. Dieses Land, das also von Vitasta beziehungsweise Jhelam erschaffen worden sein soll, besitzt heute kein Recht an dem Wasser aus eben diesem Fluss, weil Pakistan infolge des Indusabkommens die Nutzung jenes Wassers vorbehalten ist.
1984 schlug Indien vor, einen kleinen Staudamm über den Jhelam zu bauen, um ihn auch in den wasserarmen Monaten schiffbar zu machen. Die Regierung in Pakistan allerdings wehrte ab. Tatsächlich hat Pakistan ein Vetorecht, doch fraglich ist, ob sich dessen Anwendung als kluge Politik bezeichnen lässt.
»Die Regierung hat die Ressourcen Jammus und Kaschmirs geopfert.« Die Kritik der politischen Führer Kaschmirs an der Regierung in Delhi ist deutlich. Sie sind davon überzeugt, dass auch Kaschmir Wasser aus dem Jhelam benötigt. Allerdings können sie ohne diplomatische Unterstützung aus Delhi nichts unternehmen,weil die pakistanische Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn Kaschmir dem Fluss Wasser entnimmt. Indien verweist auf eine Vertragsklausel, die eine »ökonomische Entnahme« des Wassers gestatte, vorausgesetzt, dass diese dem Wohle Kaschmirs diene und das Wasservolumen insgesamt nicht reduziere. Gleichwohl betrachten viele in Kaschmir das Abkommen als Zwangsjacke, die
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