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Wasser

Wasser

Titel: Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Tvedt
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Kirche bei einem Teil der Menschen schon verloren, da sich Wasser, gerade weil es von allen Menschen benötigt wird und eines der gewöhnlichsten Dinge der Welt ist, ganz besonders als Unterscheidungsmerkmal für sozialen Erfolg oder Misserfolg eignet, wenn es als Markenprodukt vertrieben wird. Paradoxerweise sind ausgerechnet die absurden Preisunterschiede die Ursache für den Markterfolg des Mineralwassers.
    Während ich einen weiteren Blick auf den Tresen der Wasserbar werfe, frage ich mich, was wohl Pierre Bourdieu dazu gesagt hätte. Der französische Soziologe wurde unter anderem durch seine Arbeit über Geschmack 65 berühmt; er untersuchte, wie Menschen im Alltag permanent zwischen Dingen auswählen, die sie als ästhetisch anziehend oder als abstoßend, durchschnittlich oder schlicht hässlich empfinden. Seine Schlussfolgerung lautete, dass das bürgerliche Dasein überall von Snobismus geprägt sei. Die jeweilige Auswahl werde stets im Gegensatz zu der Entscheidung vorgenommen, die andere soziale Gruppen oder Klassen treffen. Geschmack sei daher weder pur noch neutral. Bourdieu analysierte ein ganzes Universum an Bedeutungen, die er als symbolisches System beschreibt, in dem kleine Geschmacksunterschiede zur Basis für soziale Reputation und Bewertungen werden. Doch wenn ich mich in dieser Wasserbar umsehe, scheint es mir, als wären Bourdieus Theorien über den Geschmack, die auf mehrjährigen Untersuchungen undBefragungen basieren, viel zu subtil und feinmaschig gestrickt, um erklären zu können, was hier geschieht. Auf mich wirkt das Colette wie eine intellektuelle Beleidigung; in seiner abstoßend selbstbeweihräuchernden Staffage scheint es einzig darum zu gehen, eine Bühne bereitzustellen, auf der soziale Unterschiede mithilfe des Trinkwassers in einem gewöhnlichen sozialen Zusammenhang verdeutlicht und inszeniert werden können.
    Nur wenige Orte, die ich besucht habe, kehren die Unterschiede so direkt und unsentimental hervor: nicht nur jene zwischen dem Westen und der restlichen Welt oder zwischen einzelnen Zivilisationen, sondern auch die zwischen Arm und Reich. Ein als vornehm geltendes Wasser wird tausende von Kilometern durch die Welt transportiert, damit Gäste wie ich eine Kostprobe dessen genießen dürfen, was
alle
oder doch zumindest sehr viele glauben haben zu müssen. Und während im Hintergrund Technojazz gespielt wird und die Bar eine Atmosphäre aus Hektik und unendlicher Leichtigkeit des Seins – des angesagten Lebensstils also – verbreitet, muss ich an die zwei Milliarden Menschen denken, die über keinen Wasseranschluss verfügen und sich das Wasser da holen müssen, wo sie es finden können. Denn ich habe diese Frauen in Bangladesch oder Äthiopien, die durch das Fernsehen zu einem Klischeebeispiel für Entwicklungsländer geworden sind, selbst gesehen. Und je länger ich hier sitze, desto wirklicher werden solche Frauen, die stundenlang in der Hitze umherwandern müssen, um Wasser für die Familie – womöglich ein krankes Kind oder eine sterbende Mutter – zu holen. Jeden Tag sterben 6000 Menschen, vor allem Kinder, weil sie verunreinigtes Wasser getrunken haben.
    Viele Menschen müssen große Teile ihres Einkommens – in einigen Städten sogar bis zu einem Drittel – für Wasser aufbringen, ohne das sie nicht leben können. Die Lösung des Wasserproblems bleibt somit eine Grundvoraussetzung für die Bekämpfung der Armut.
    Die politische Führungsspitze der Welt erklärte auf der Konferenz von Johannesburg im Jahr 2002 die bessere Versorgung mitsauberem Wasser zu einem der wichtigsten Entwicklungsziele des Jahrhunderts. Bis 2015 soll die Zahl der Menschen, die ohne sauberes Trinkwasser auskommen müssen und in unzureichenden Sanitärverhältnissen leben, halbiert werden. Dazu müssten allerdings pro Tag 300 000 Menschen Zugang zu einem bestehenden Leitungsnetz erhalten, was jährliche Kosten in Höhe von 25 Milliarden Dollar nach sich zöge – ein höchst ambitioniertes, und leider völlig unrealistisches Ziel.
    »Ich mache mir überhaupt keine Sorgen«, sagt er bestimmt. Der Mann, der sich mit mir unterhalten möchte, ist tadellos gekleidet und aus Lyon in die Hauptstadt gekommen, um an einer Konferenz über pädagogische Computerspiele teilzunehmen. »Ich habe noch nie versucht herauszufinden, woher ich komme oder was ich bin. Mich interessiert einzig und allein die Handlung.« So kann man es auch sehen, denke ich, als ich auf die Designerflasche »Voss Water«

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