Wassergeld
einschmeichelnde Taktik. »Sie haben bestimmt einen Schlüssel. Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie uns die Wohnung von Alexander von Welchingen zeigen würden.«
»Aber … aber …«, stotterte sie hilflos, »ich weiß ja nicht einmal, ob Sie wirklich Polizisten sind.«
Gerhard hielt ihr seinen Ausweis entgegen, während ich das Totschlagargument auspackte. »Wie Sie wollen, Frau Buchner. Dann werde ich jetzt telefonisch den Staatsanwalt um eine Durchsuchungsgenehmigung bitten und mein Kollege, Herr Steinbeißer, wird später mit dem Auto nach Frankenthal fahren und diese holen.«
Frau Buchner gaffte ungläubig. »Das dauert doch Stunden!«
»Ja«, bestätigte ich. »Und wir werden gemeinsam vor dem Haus so lange warten müssen. Tut mir leid, Frau Buchner, daran kann ich nichts ändern.«
Sie stand da und kämpfte mit sich selbst. Mit dieser Situation, die ihr geregeltes Leben durcheinanderbrachte, war sie hoffnungslos überfordert. »Na, dann kommen Sie mal mit. Wenn Herr von Welchingen das erfährt, werde ich einen Riesenärger bekommen.«
»Eher wird der feine Herr Ärger kriegen«, raunzte Gerhard.
Die Witwe griff in ihre Jackentasche und zog neben mehreren gebrauchten Papiertaschentüchern und einem Döschen mit Hörgerätbatterien einen Schlüsselbund aus der Tasche. Sofort nachdem wir das Haus betreten hatten, schloss sie die Eingangstür. »Es muss nicht jeder wissen, dass wir da sind«, begründete sie ihr Tun.
Wir standen in einem Flur, der definitiv größer war als mein Wohnzimmer. Die ehemals geweißelten Wände waren schmutzig grau, nicht ein einziges Bild oder Accessoire schmückte sie. An der geringstenfalls vier Meter hohen Decke hing ein Kronleuchter, der erbärmlich verdreckt war.
Frau Buchner zeigte der Reihe nach auf verschiedene Türen. »Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad mit Wanne, Hobbyraum. Ansonsten nutzte er nur den Keller. Der steht voll mit Gerümpel. Ich habe ihm mehr als einmal gesagt, er solle die Sperrmüllabfuhr bestellen, doch er antwortete stets, dass ihm das Haus, und folglich das Gerümpel, egal sei.«
Gerhard und ich teilten uns auf. Die Durchsuchung würden wir, wie bei uns in solchen Fällen üblich, zunächst nur grob und oberflächlich durchführen. Die Details würden heute Mittag unsere Kollegen nachholen. Das Wohnzimmer war minimalistisch ausgestattet. Tisch, Couch, kleiner Schrank und ein alter Röhrenfernseher. Ich öffnete den Schrank und fand nichts von Interesse. Gerhard kam kurze Zeit später aus dem Schlafzimmer und hielt einen Packen Kontoauszüge in den Händen.
»Dreimal darfst du raten, was ich hier habe!«, forderte er mich stolz auf.
»Kontoauszüge?«, riet ich, weil mir gerade kein dummer Spruch einfiel.
»Klar doch, Kollege. Alle Einnahmen und Ausgaben der letzten Jahre.«
»Vorausgesetzt, er besitzt nur dieses eine Konto«, mahnte ich.
»Das wird sich ja wohl feststellen lassen. Schau dir mal den Endsaldo an.«
»Soll 16.089,69 Euro«, las ich. »Ganz schön viel für einen Steuermann.«
»Und ein verdammt gutes Motiv für eine Erpressungsgeschichte!«
»Langsam mit den Verdächtigungen. Du weißt, das kann in die Hosen gehen. Nicht jeder mit Schulden ist ein Verbrecher. Denk mal nach, die Erpresser haben in Vorleistung gehen müssen für die Zutaten des Sprengstoffs und so weiter. Schau mal in den Kontoauszügen, ob er eine Rechnung für Ethylglikosetrat, oder wie das Zeug heißt, bezahlt hat.«
»Da hätte ich zwei Stunden zu tun, außerdem steht uns nach § 110 StPO die Durchsicht von Papieren zunächst nicht zu. Nein, so dumm wird er nicht gewesen sein«, maulte Gerhard. »Das lassen wir unsere Spezialisten überprüfen. Wir wollen uns nur einen Überblick verschaffen. Apropos, den Hobbyraum und das Bad hätten wir noch, Reiner.«
»Wahrscheinlich gibt es in seinem Hobbyraum nur Dieselmotoren und so Zeug.«
»Oder er sammelt Briefmarken oder Bierdeckel als Ausgleich zum Beruf«, konterte mein Kollege, ohne ernsthaft davon überzeugt zu sein.
Als wir den Hobbyraum betraten, überraschte es uns völlig, dass Alexander von Welchingens liebste Freizeitbeschäftigung ausgerechnet der Amateurfunk war.
»Aufgrund der erdrückenden Beweislage wird Borgia nicht drum herumkommen, einen Haftbefehl zu beantragen«, meinte Gerhard mit Blick auf die diversen Funkgeräte und das viele Zubehör, das auf einem Regal und einem Tisch stand.
»Du fängst schon wieder an, voreilige Schlüsse zu ziehen. Das sind alles nur Indizien, aber keine
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