Wassergeld
die Treppe hinuntergingen, sahen wir eine grauhaarige Frau in die Einfahrt radeln. Sie hielt Kurs direkt auf uns.
»Hallo, was machen Sie da?«, fragte sie außer Atem, als sie uns erreicht hatte. Ihr Fahrrad könnte in etwa das gleiche Alter wie die Villa haben.
»Guten Tag, mein Name ist Reiner Palzki«, stellte ich mich vor. »Wir sind von der Kriminalpolizei. Sind Sie Frau von Welchingen?«
Sie stutzte. »Ob ich Frau von … nein«, antwortete sie erschrocken. »Wie kommen Sie darauf?«
Ich zeigte nach oben. »Na ja, hier wohnt die Familie von Welchingen, und als Sie eben mit dem Fahrrad ankamen, dachte ich natürlich, dass Sie hier wohnen.«
»Ach so. Nein, Frau von Welchingen lebt nicht mehr. Haben Sie mich jetzt erschreckt. Was wollen Sie hier?«
»Wir sind von der Polizei und suchen Herrn Alexander von Welchingen. Können Sie uns weiterhelfen?«
»Polizei? Um Himmels willen! Hoffentlich ist nicht schon wieder etwas passiert.«
»Wieso schon wieder?«, unterbrach ich sie harsch.
»Ich meine das mit seiner Frau. Sie starb doch bei diesem mysteriösen Unfall. Damals hatte die Polizei das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Am Schluss hat sich dann aber herausgestellt, dass ihr Mann unschuldig war.«
Ich schielte zu Gerhard und er verstand. Er zückte seinen Block und begann mitzuschreiben.
»Wann war das mit dem Unfall?«
Sie überlegte. »Das liegt um die zwei Jahre zurück. Es war furchtbar tragisch. Frau von Welchingen wurde von ihrem Mann eines Morgens tot in der Badewanne gefunden. Erst hat die Polizei einen Mord vermutet, Experten haben dann aber festgestellt, dass es eine Kohlenstoffmonoxidvergiftung war. Schuld war ein Vogelnest im Kamin.«
Gerhard sah von seinem Block auf. »Haben die beiden Kinder?«
Die Radfahrerin schüttelte den Kopf. »Nein, sie sind ungewollt kinderlos geblieben. Frau von Welchingen wurde im Übrigen von ihrer Familie verstoßen, weil sie nicht standesgemäß geheiratet hatte. Ihre Eltern haben es ihr sehr übel genommen, dass sie mit einem normalen Arbeiter die Ehe einging, der sogar ihren Namen annahm. Glücklicherweise hatte sie bereits vor ihrer Heirat ein verbrieftes Wohnrecht für diese Villa. Allerdings bekam sie von ihren Eltern keinerlei finanzielle Unterstützung. Sie sehen ja, was aus dem Haus geworden ist. Herr von Welchingen arbeitet auf irgendeinem Rheinfrachter, sein Einkommen reicht hinten und vorne nicht, um das große Haus zu unterhalten. Seit seine Frau gestorben ist, lebt er ziemlich zurückgezogen. Es gibt Wochen, da sehe ich ihn kaum.«
Mir wurde kalt, es ging ein unangenehm böiger Wind. »Verraten Sie mir bitte, wer Sie sind? Woher kennen Sie die Familie von Welchingen?«
»Mein Name ist Gerlinde Buchner. Ich wohne gegenüber auf der anderen Straßenseite. Das sind von hier aus ein paar Meter. Deswegen nehme ich immer das Rad, wenn ich rüberkomme. Ein- bis zweimal in der Woche helfe ich Herrn von Welchingen im Haushalt. Er zahlt mir zwar nur ein kleines Taschengeld, aber ich bin Witwe und habe Zeit.«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen, Frau Buchner?«
»Lassen Sie mich überlegen. Mittwoch, nein, Dienstag letzte Woche, da war ich bei ihm. Er war richtig fröhlich, so hatte ich ihn seit dem Tod seiner Frau nicht mehr erlebt. ›Jetzt wird alles bald wieder besser‹, sagte er zu mir und nahm mich sogar kurz in den Arm. Als ich ging, habe ich ihm gesagt, dass ich am Freitag wieder kommen könnte. Da hat er nur gelacht und gesagt, er werde ein paar Tage Urlaub machen. Wenn er zurückkäme, hätte er eine Überraschung für mich.«
Wir waren auf der richtigen Fährte.
»Sonst hat er Ihnen nichts gesagt? Denken Sie bitte ganz genau nach.«
Gerlinde Buchner lehnte ihr Fahrrad, das sie die ganze Zeit festgehalten hatte, an die Hauswand. »Nein, ich kann mich nicht erinnern. Er ist kein sehr gesprächiger Mensch.«
»Hat er etwas über das Haus gesagt? Für eine Person erscheint es mir ein paar Nummern zu groß.«
»Was meinen Sie mit dem Haus? Es gehört nicht ihm, sondern der Familie seiner Frau. Er hat über seine Frau das Wohnrecht geerbt, mehr nicht. Seine Schwiegereltern sind schon recht betagt und leben bei Paderborn. Sie sind nicht einmal zur Beerdigung ihrer Tochter gekommen. Alexander von Welchingen bewohnt nur wenige Zimmer des Gebäudes im unteren Stock, um Geld zu sparen. Ich habe einmal eine Heizungsabrechnung herumliegen sehen, da würde glatt meine ganze Rente draufgehen.«
»Liebe Frau Buchner«, begann ich meine
Weitere Kostenlose Bücher