Wassergeld
dabei sein Labor ein Raub der Flammen. Bis zum Wiederaufbau im kommenden Frühling hatte er es deshalb in das Wohnzimmer verlegt. Wenn das mal gut ging.
Ich klingelte an der Haustür. Wenige Augenblicke später stand er vor mir, wie immer hatte er seinen weißen Kittel an. Zusammen mit seiner geringen Körpergröße und seinen wirren, ungekämmten Haaren erinnerte er mich wie üblich an eine Mischung zwischen Dr. Metzger und Albert Einstein. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Hallo, Reiner! Nett, dass du mal vorbei schaust. Komm rein und sieh dir mein provisorisches Labor an. Stolpere bitte nicht über die vielen Kabel, es ist alles etwas eng.«
Ich folgte meinem Freund in die Wohnung. Hier sah es aus wie vor 30 Jahren: großformatige Blümchentapeten, ein Wählscheibentelefon und auf dem Sideboard ein Plattenspieler. Jacques’ Wohnung könnte man durchaus als Museum vermarkten. Seine Gerätschaften, die er auf dem Tisch und diversen Regalen ausgebreitet hatte, standen allerdings in krassem Widerspruch zu dem Rest der Wohnung.
»Was erfindest du zurzeit?«, fragte ich erstaunt, als ich blauen Dampf in einem durchsichtigen Gefäß sah.
Jacques zeigte auf das Reagenzglas. »Du wirst es nicht glauben, ich entwickle ein neues Medikament gegen Sodbrennen. Allerdings ist das alles andere als einfach. Es scheint, als wäre dies eine der größten Herausforderungen, die ich je gehabt habe.«
»Jetzt bin ich etwas irritiert, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es bereits Dutzende solcher Arzneimittel gibt. Schließlich bin ich bei Mitteln gegen Sodbrennen der größte Kunde aller Apotheken im Umkreis.« Zum Beweis zog ich eine Schachtel aus meiner Hosentasche. »Manche Kollegen führen eine Waffe mit sich, ich dagegen immer etwas gegen mein Sodbrennen.«
»Ich weiß«, antwortete Jacques. »Sodbrennen war bisher für mich ein unbekanntes Leiden. Erst seit ein paar Wochen werde ich jede Nacht davon gequält. Es ist zum Verrücktwerden, die Tabletten aus der Apotheke wirken nur ein oder zwei Stunden. Seit Tagen experimentiere ich an einem neuen Wirkstoff, der die ganze Nacht anhält. Bisher leider ohne Erfolg. Die Nebenwirkungen sind fatal.« Jacques blickte verschämt zur Seite.
Jetzt wurde es interessant. »Welche Nebenwirkungen meinst du?«
Der Erfinder gab keine Antwort, sondern ging zum Gegenangriff über. »Warum bist du eigentlich hier, Reiner? Normalerweise kommst du nur, wenn du etwas brauchst!«
Jacques hatte mich mal wieder ertappt, Leugnen war zwecklos. »Na ja, da wäre schon eine Kleinigkeit, bei der du mir helfen könntest.«
»Aha«, rief Jacques. »Ich wusste, dass ich recht habe. Mit was kann ich dir diesmal behilflich sein? Vielleicht mit einer kleinen Atombombe?«
»Nein«, stotterte ich. »Wenn ich es mir recht überlege, sollte ich dir bei der Entwicklung des neuen Medikamentes helfen. Dann wäre endlich am Ende meines Gehaltes nicht mehr so viel Monat übrig.«
Jacques lachte erneut. »Ist schon gut, Reiner. Sobald es fertig ist, bekommst du von mir eine Probepackung, quasi als Betatester. Aber jetzt rück schon raus! Warum bist du wirklich hier?«
»Du hast gewonnen. Ich werde dir alles erzählen.« Nachdem Jacques etwas Platz gemacht hatte, setzten wir uns an seinen Küchentisch. Ich begann zu berichten. Angefangen bei der Deichsprengung und dem Erpresserbrief bis hin zu dem umgebauten Frachter der Gauner. Daraufhin schüttelte Jacques nur den Kopf. »Dilettantisch, einfach dilettantisch. Solch ein großer Aufwand für so eine kleine Kiste, von dem Energieaufwand ganz zu schweigen. Hätten die Erpresser besser mich gefragt, das wäre viel einfacher gegangen.«
»Zum Glück haben sie dich nicht gefragt«, entgegnete ich. »Sonst würdest du jetzt in Frankenthal im Untersuchungsgefängnis sitzen, statt für mich ein Mittel gegen Sodbrennen zu erfinden.«
»Ich meine ja nur«, verbesserte sich der Erfinder. »Natürlich hätte ich da niemals mitgemacht.«
»Ich weiß ja«, beruhigte ich ihn. »Eigentlich geht es gar nicht mehr um die Kiste und den Frachter. Ich vermute, dass hinter alledem ein kluger Kopf steckt. Und ich bin mir fast sicher, dass ich weiß, wer dieser Kopf ist. Jetzt bräuchte ich nur ein klein wenig Hilfe von dir, mein Freund.«
»Das hört sich ja fast so an, als hättest du einen Plan, oder?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich dachte, vielleicht hättest du eine geeignete Idee, wie man den verdächtigen Gauner zum Reden bringen könnte. Beweise habe ich
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