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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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anscheinend ihr Herz gehängt hatte. Er machte sich nichts aus Fotografien, es sei denn, es handelte sich um Tatortaufnahmen. Als er jetzt auf das Foto starrte, das er von Kathi im Urlaub auf Gran Canaria geschossen hatte, spürte er so etwas wie Wehmut. Sie lag auf einer Sanddüne und lächelte in die Kamera. Sie war eine schöne Frau, mit großen grünen Augen und einem geheimnisvollen Blick.
    Geheimnisse hatte sie auch gehabt. Es hatte lange gedauert, bis sie sich ihm offenbart hatte, und sie hatte es auch nur getan, weil er sich immer öfter über ihre Teilnahmslosigkeit und Kälte im Bett beklagt hatte. Meist war sie steif wie ein Brett gewesen, so etwas wie zügellose Leidenschaft hatte es zwischen ihnen nie gegeben. Aber schuld daran war nicht er selbst, sondern Kathis Vater. Nur einmal hatte sie ihm davon erzählt. Heulend, mit abgehackten, oft zusammenhanglosen Sätzen, sodass er sich das meiste hatte zusammenreimen müssen.
    Der miese Kerl hatte sie missbraucht, als sie zehn Jahre alt gewesen war. Eric hatte den Mann nie getroffen, denn er war schon Jahre tot, als er und Kathi sich kennenlernten. Aber was musste das für ein Schwein gewesen sein! Wie konnte man sich an seinem eigenen Kind vergreifen? Überhaupt an kleinen Kindern? Das war doch einfach nur krank.
    Und letztlich hatte Kathis Vater damit ihre Ehe zerstört. Denn nachdem sie sich dieses eine Mal geöffnet hatte, hatte sie nie wieder darüber sprechen wollen. Im Bett war sie danach noch unnahbarer gewesen. Eric hatte es vermieden, sie noch einmal darauf anzusprechen. Seine eigene Frau so leiden zu sehen und nichts tun zu können gehörte zu dem Schlimmsten, was er je durchgemacht hatte. Sein Hass auf Typen, die kleine Mädchen missbrauchten, war seitdem grenzenlos.
    Ihm war gar nichts anderes übrig geblieben, als zu Nutten zu gehen. Sein erstes Mal hatte Kathi ihm noch verziehen, weil er hoch und heilig versprochen hatte, es nie wieder zu tun. Und obwohl er danach sehr, sehr vorsichtig gewesen war, hatte Kathi doch davon erfahren. Bis heute wusste Eric nicht, wie. Aber er hatte einen Verdacht. Vielleicht hatte diese eine Nutte seiner Frau etwas gesteckt, weil er ihr kein Geld mehr geben wollte.
    Eric nahm das Bild von der Wand, setzte sich damit auf die Couch und betrachtete es.
    Die Sehnsucht nach ihr kam unerwartet und warf ihn beinahe um.
    Minutenlang saß er einfach nur da und sah in ihre grünen Augen. Schließlich griff er nach seinem Handy und tippte ihre Nummer ein. Sie hatte ihm nur ihren Festnetzanschluss verraten. Er ließ es lange klingeln, doch am Ende ging nur ihr Anrufbeantworter ran. Im ersten Moment war er enttäuscht, dann spürte er aber, wie gut es ihm tat, einfach nur ihrer Stimme zu lauschen, ohne selbst etwas sagen zu müssen.
    Er rief sie wieder und wieder an, so lange, bis die Bierflasche leer war und ihm die Augen zufielen.

10
    Der Kerl stank, und zwar nicht zu knapp.
    Frank konnte nicht einmal sagen, wonach. Es war ein alter, beißender Geruch, der sicher ewig in den Polstern seines Taxis haften bleiben würde. Er wagte einen Blick zur Seite und schaute direkt in ein Ohr. Lange, gekräuselte Haare wucherten auf einer harten gelben Masse.
    «Wohin?», fragte Frank und versuchte, seine Übelkeit zu unterdrücken.
    «Inne Stadt», war die Antwort, hervorgepresst zwischen kaum geöffneten Lippen.
    Frank nickte, legte den Gang ein und wendete den Wagen auf der einsamen Landstraße. Jetzt wurde ihm klar, wonach dieser Kerl roch: nach Ärger. Hätte Frank ihn nur zwei Sekunden vorher gesehen, dann hätte er Gas gegeben und ihn einfach stehen lassen. Immerhin war es allein seine Entscheidung, wen er beförderte und wen nicht, und wenn ihm jemand nicht geheuer erschien, konnte er die Person stehen lassen. Aber dafür war es jetzt zu spät.
    Vielleicht bleibt er ja friedlich, dachte Frank. Aber irgendetwas am Verhalten dieses Mannes sagte ihm, dass das nicht der Fall sein würde.
    Ruhig bleiben, ich muss ruhig bleiben, sonst geht es wieder los, und weder der Typ noch ich überleben diesen Abend.
    «So spät noch unterwegs?»
    Frank versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen. Vielleicht konnte er etwas über den Mann erfahren. Etwas Beruhigendes.
    Doch der brummte nur vor sich hin.
    Leider war es im Wagen dunkel, und Frank konnte kaum etwas von ihm erkennen. Seine nackten Füße steckten in alten Ledersandalen, die Jeans hatte auch schon bessere Tage erlebt, und der graue Kapuzenpullover glich mehr einem Kartoffelsack als

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