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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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langen Steg hinaus. Er war noch viel zu aufgewühlt, um sich schon schlafen zu legen. Der Rhythmus des Wassers würde ihn beruhigen, würde die Stimme in seinem Kopf zum Schweigen bringen.
    Der schmale Steg ohne schützendes Geländer führte weit auf den See hinaus. Früher hatte es vorn eine alte Holzbank gegeben, aber die war verschwunden. Also setzte er sich auf die moosig überzogenen Planken und ließ die Beine über dem schwarzen, öligen Wasser baumeln. Leise leckte es an den uralten Pfählen, die den Steg seit Jahrzehnten trugen.
    Er musste an die Frau denken, an Stifflers Freundin.
    Im Leben war sie eine Hure gewesen, im Wasser jedoch eine Göttin. Unvergleichlich schön in ihrer Hilflosigkeit, und je länger sie sich gegen seine Umarmung gewehrt hatte, desto mehr hatte er ihren gemeinsamen Tanz, ihr Bad genossen. Er hatte nicht mehr tun müssen, als sie so fest zu halten wie ein Liebender seine Geliebte, und obwohl sie erstaunlich lange durchgehalten hatte, war doch unweigerlich der Moment gekommen, in dem sich Luftblasen von ihren Lippen gelöst und das Leben aus ihrem Körper mit an die Oberfläche genommen hatten.
    In diesem einzigartigen Moment hatte ihr Körper ekstatisch zu zucken begonnen. Gleichzeitig war ihre Gegenwehr schwächer geworden, und in ihren Augen hatte er die Erkenntnis gesehen, dass es gleich zu Ende gehen würde. Und obgleich sie doch wusste, was es für sie bedeutete, hatte sie den Mund aufgerissen und Wasser eingeatmet.
    Als sie schließlich schlaff geworden war in seinen Armen, hätte er sie gern sinken lassen, doch das entsprach nicht seinem Plan. Es reichte nicht aus, jede Frau zu töten, die Stiffler nahestand, nein, er musste auch dafür sorgen, dass alle Welt erfuhr, was für ein Mensch Eric Stiffler war.
    Der Anfang war gemacht, die Spur gelegt.
    Und die Nächste war schon auserwählt. Sie wartete bereits, und er freute sich auf das Bad mit ihr.

12
    Manuela Sperling ließ sich in Ermangelung einer Sitzgelegenheit auf den blauen Teppichboden im Wohnzimmer sinken, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und starrte die noch immer nicht ausgepackten Umzugskartons an. Ein stilisierter Lkw mit breitem Grinsegesicht und Scheinwerferaugen rief ihr zu: Willst du weg von diesem Ort, dann wende dich an Isenfort .
    Abhauen war natürlich keine Option, aber ein wenig war ihr schon danach. Sie hatte ihren ersten Tag hinter sich und war bereits frustriert.
    Es war nicht alles schiefgelaufen, das konnte man wirklich nicht sagen. Das Gespräch mit Polizeichef Bender war ganz in Ordnung gewesen. Er hatte sie dazu beglückwünscht, dass sie bei Eric Stiffler, einem der erfahrensten Ermittler der Behörde, lernen würde, wie Polizeiarbeit im Alltag aussah. Dann war Bender regelrecht ins Schwärmen geraten. Vor zehn Jahren hatte Stiffler praktisch im Alleingang den Zigarrenmörder überführt. Vier Morde, und an den Tatorten hatte man als einzige Spur Reste von Zigarrenstummeln gefunden. Stiffler war der Einzige gewesen, der durchgeblickt hatte.
    Bevor Polizeichef Bender auf die Details eingehen konnte, hatte das Telefon geklingelt. Nach dem kurzen Gespräch hatte er sie fortgeschickt. «Raus an die Front», wie er es genannt hatte. Raus zu Eric Stiffler.
    Und der war dann ganz anders gewesen, als Bender ihn beschrieben hatte. Abweisend, mundfaul, unfreundlich. Manuela hoffte, dass es nur an dem aktuellen Fall lag, immerhin hatte man Stifflers Namen auf dem Opfer gefunden. So etwas konnte einem schon die Petersilie verhageln. Aber sie hatte so ein Gefühl, dass es mit ihnen beiden nicht klappen würde.
    Und dann die Leiche.
    Ihre erste überhaupt, und gleich eine Wasserleiche.
    Stiffler hatte sie einfach so an den Fluss geschickt. Die Spurentechniker hatten ihre Hilfe nicht gebraucht. Sie hatte nur daneben stehen und zusehen müssen, wie sie die Leiche aus dem Treibguthaufen bargen. Hatte Stiffler sie etwa testen und herausfinden wollen, ob sie beim Anblick ihrer ersten Leiche zusammenklappte oder sich zumindest übergab? Aber den Gefallen hatte Manuela ihm nicht getan. Sie hatte Angst gehabt, das gab sie gerne zu, und während des kurzen Fußmarsches von Stifflers Wagen bis zu der großen Weide am Flussufer war ihr der Schweiß ausgebrochen, und ihr Magen hatte zu rumoren begonnen. Unten am Wasser war dann aber alles in Ordnung gewesen. Sicher, die Leiche bot keinen schönen Anblick, und in ihrer Kehle war es eng geworden, aber der Würgereiz war ausgeblieben, und sie hatte sich nicht

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