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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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einem Kleidungsstück. Frank war bereits einmal überfallen worden, und es war ihm peinlich gewesen, der Polizei keine wirklich gute Beschreibung von dem Täter liefern zu können. Auch damals war der Mann im Dunkeln eingestiegen. Saß ein Fahrgast erst auf dem Beifahrersitz, war er so gut wie aus dem Blickfeld.
    «Geht’s Ihnen gut?», versuchte Frank es noch einmal.
    «Geht», kam die einsilbige Antwort.
    «Freut mich zu hören. War ein ruhiger Tag bisher, und Sie sind meine letzte Fahrt. Danach geht es in den Feierabend. Was machen Sie beruflich?»
    «Blöde Quatschköpfe ausrauben», sagte der Stinker, und im selben Moment lag das große Messer schon auf seinem Oberschenkel.
    Das Licht des Cockpits reichte aus, um es in seiner ganzen bedrohlichen Länge erkennen zu können.
    «Ist ein Scherz, oder?», sagte Frank und zwang sich, seine Stimme betont lässig klingen zu lassen.
    Er hatte sich solche Situationen ausgemalt, war sie wieder und wieder in seinem Kopf durchgegangen. Autosuggestion nannte man so etwas, und angeblich sollte es vor falschen Reaktionen schützen – zumindest hatte ihm das sein Therapeut gesagt. Für Frank war es enorm wichtig, nicht die Ruhe zu verlieren, denn regte er sich einmal auf, dann … Nein, darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Beim ersten Überfall hatte die Autosuggestion prima funktioniert, und er würde es auch diesmal schaffen.
    «Sieht das wie’n beschissener Scherz aus?», fragte der Stinker und hob die Hand mit dem Messer. «Deine Börse und dein Handy. Und mach keinen Scheiß, sonst stech ich dich ab.»
    Frank nickte und versuchte, sich die Stimme des Mannes einzuprägen. Sie klang irgendwie nasal und ein wenig zu hoch für einen Mann.
    «Soll ich rechts ranfahren, oder erledigen wir das während der Fahrt?», fragte Frank.
    Merkwürdigerweise war er jetzt, da er wusste, woran er war, tatsächlich ganz ruhig. Sein Herz schlug in normalem Rhythmus, sein Puls war in Ordnung, also würde er nicht ausrasten. Allerdings konnte sich das jederzeit ändern.
    «Suchst du Ärger?», fragte der Typ.
    Er riss das Messer hoch und hielt es Frank vors Gesicht. Die Bewegung schickte eine Welle von Gestank durch das Innere des Autos.
    «Keineswegs. Du kannst die Kohle haben. Sind hundertzwanzig Euro. Aber das mit dem Handy wäre wirklich ärgerlich. Ich hab die ganzen Nummern nirgendwo notiert und weiß gar nicht, wie ich da wieder rankommen soll. Könnten wir uns nicht darauf einigen, dass ich dich in die Stadt fahre, und du bekommst das Geld, lässt mir aber das Handy. Dann wären wir …»
    «Halt die Schnauze», fuhr der Stinker dazwischen. «Fahr rechts ran, Mann, und dann gib mir die Kohle, aber ein bisschen dalli.»
    Das letzte Wort merkte Frank sich, während er das Taxi am Straßenrand ausrollen ließ. Man konnte Menschen auch anhand ihrer Ausdrucksweise wiedererkennen, gerade wenn sie so veraltete Worte benutzten wie dalli.
    «Kein Problem, ich mach ja schon.»
    Frank war nicht angeschnallt, deswegen konnte es funktionieren, was er vorhatte. Taxifahrer mussten sich von Gesetzes wegen nicht anschnallen, sobald sie einen Fahrgast beförderten, und viele gewöhnten es sich ganz ab. Frank auch. Jetzt war er froh darum.
    Er nahm den Gang raus. Das Messer war vielleicht dreißig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, doch der Typ achtete nicht auf ihn, sondern schaute nach vorn. Mit einem heftigen Ruck brachte Frank den Škoda zum Stehen, und der Stinker, der ebenfalls nicht angeschnallt war, kippte nach vorn. In einer einzigen, fließenden Bewegung zog er den Zündschlüssel ab, trat mit dem linken Fuß auf den Alarmknopf und stieß mit der Schulter die Tür auf, und er war draußen, ehe der Stinker sein Messer benutzen konnte.
    Die Alarmanlage jaulte laut durch die Nacht, und sämtliche Lichter des Wagens leuchteten auf. Das würde hier draußen zwar niemand bemerken, aber es war doch beeindruckend.
    Frank lief ein paar Schritte vom Wagen weg und blieb in der Mitte der leeren Landstraße stehen.
    Der Stinker stieß die Beifahrertür auf. Er stieg aus dem Taxi und sah sich mit hektischen Blicken um. Franks große schwarze Geldbörse befand sich im Ablagefach der Fahrertür, und da diese offen stand, war der Stinker noch nicht daran gekommen.
    «Nimm die Kohle und hau ab», rief Frank ihm zu. «Der Alarm geht auch bei der Polizei ein. Dauert nicht lange, dann sind die hier.»
    Das war gelogen, aber wenn er Glück hatte, wusste sein Gegner das nicht.
    Der kam um das Heck des

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