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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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seine Nase hinein, um besser sehen zu können.
    In der Tüte befand sich ein Karton mit einer Videokamera darin.
    «Was machen Sie da?», schrie ihn eine kreischende Stimme von hinten an, und im nächsten Moment brach die Hölle los.

23
    Geruch und Geschmack von Wasser waren für ihn wie die Bestandteile eines exzellenten Essens. Seine sensibilisierten Sinne nahmen auch die feinsten Nuancen wahr, die anderen Menschen verborgen blieben. Sie drangen bis tief in seine Seele und holten die Ruhe zurück, die ihm heute in der Stadt abhandengekommen war.
    Er atmete tief und gleichmäßig. Dabei streckte er die Arme zum dunkler werdenden Himmel, um seinen Brustkorb zu weiten und seiner Lunge mehr Platz zu verschaffen. Normale Menschen hatten ein Lungenvolumen von sechs Litern, das hatte er schon als Zwölfjähriger gehabt. Sein letzter Selbsttest hatte einen Hauch mehr als zehn Liter ergeben.
    Ruhe, Gleichförmigkeit. Eins werden mit dem Wasser.
    Glück durchströmte ihn.
    Als er so weit war, senkte er den Blick.
    Die Frau.
    Bevor er sie hierhergebracht hatte, hatte er sie vor dem Haus mit K.-o.-Tropfen betäubt. Am Ufer dieses kleinen, einsamen Sees hatte er sie ausgezogen und war selbst in den schwarzen Neoprenanzug geschlüpft. Er wäre am liebsten ebenfalls nackt ins Wasser gegangen, um sie wirklich spüren zu können, aber er musste sichergehen. So wie die andere Frau hatte auch diese lange Fingernägel, mit denen sie ihm während des Tanzes sicher die Haut aufreißen würde. Dabei fürchtete er sich nicht vor seiner DNA -Spur unter ihren Nägeln, sondern vor den Verletzungen, die sich im Seewasser schnell entzünden konnten. Was das betraf, hatte er in den letzten Jahren so seine Erfahrungen gemacht, denn gekratzt hatten sie alle, manche sogar gebissen. Die Male an seiner linken Schulter waren ihm Warnung genug, nicht wieder so unvorsichtig zu sein. Sie stammten von dem jungen Mädchen, mit dem er an der Küste Korfus gebadet hatte.
    Er betrachtete die Frau zu seinen Füßen.
    Sie war immer noch sehr schlank, fast schon dürr. Er mochte ihr langes blondes Haar, es erinnerte ihn an seine Schwester, an Siiri, den kleinen Delfin, an ihren Zopf, der immer so niedlich gewippt, an die vielen Haarbänder, die sie im Wasser verloren hatte.
    Diese Frau hatte ein kleines Tattoo neben dem Bauchnabel: eine Rose mit einer Blüte und zwei übergroßen Dornen. Was diese Dornen wohl bedeuteten? Vielleicht standen sie für zwei Menschen, die sich gemeinsam gegen den Rest der Welt behaupteten? Wenn ja, dann ahnte er, für wen der zweite Dorn stand, aber das hatte sich vor langer Zeit erledigt.
    Er stieß ihr mit dem Fuß in die Seite, um herauszufinden, ob sie reagierte. Und das tat sie. Sie warf den Kopf herum und gab ein leises Stöhnen von sich. Da er die Wirkung dieser Tropfen inzwischen ganz gut einschätzen konnte, wusste er, dass sie nicht mehr allzu weit weg war. Der Temperaturschock im Wasser müsste ausreichen, sie zu wecken.
    Er packte sie an den Schultern, wuchtete den leichten Körper hoch und lehnte ihn gegen seine Brust. Ihre Arme baumelten herunter, die Knie gaben sofort nach. Er schob seine Arme unter ihre Achseln, verschränkte seine Hände vor ihrem kleinen Busen und schleppte sie so die paar Schritte bis zum Ufer hinter sich her. Die Fersen ihrer Füße pflügten zwei gleichmäßige Rinnen ins Gras.
    Er hatte die Stelle mit Bedacht gewählt.
    Das Ufer war hier einen Meter hoch, und der Grund fiel sofort steil ab. Schon nach wenigen Schritten konnte man nicht mehr stehen. Der Weg hierher war fast zugewachsen von den dornenbewehrten Ranken der wilden Brombeere. Wenn man ein bisschen aufpasste, ging es, aber es war mühselig, und niemand nahm diese Mühe für einen kleinen See auf sich, der noch nicht einmal einen vernünftigen Strand hatte. Niemand, außer hin und wieder ein Angler, kam freiwillig hierher. Schon mit der anderen Frau hatte es hier wunderbar funktioniert. Obwohl er ihr genug Zeit gelassen hatte, hatte sie es wegen des hohen Ufers nicht geschafft, ihm zu entkommen.
    Als er die Blonde bis an die lehmige Steilkante gewuchtet hatte, zuckte plötzlich ihr Kopf nach hinten. Allein seinen schnellen Reflexen hatte er es zu verdanken, dass sie ihm nicht die Lippen aufschlug.
    Es wurde Zeit. Sie kam rasch zu sich.
    Er gab ihr einen Stoß, sie fiel nach vorn und schlug der Länge nach auf die Wasseroberfläche. Es platschte laut. Wasser spritzte auf. Aus dem Ufergürtel ganz in der Nähe flatterte laut schnatternd

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